Leverkusen - Der Start der Fußball-Bundesliga rückt näher. Die Ziele der Clubs sind formuliert, und doch bleiben einige Fragen zu den Aussichten offen. Eine StZ-Serie soll Antworten liefern. In dieser Folge: Bayer 04 Leverkusen.
Die Montagearbeiten waren lange geplant worden, ein riesiger Raupenkran sollte einen tonnenschweren Fachwerkträger aus Stahl auf den neuen Oberrang des Leverkusener Stadions hieven. Doch die penibel vorbereitete Aktion musste verschoben werden. Es wehte am vergangenen Montag zwar nur eine leichte Brise über Leverkusen, aber wegen einer Windstärke von 3 Beaufort durfte der Kran aus Sicherheitsgründen nicht mehr arbeiten. "Das sind nun einmal Dinge, die leider keiner von uns beeinflussen kann", erklärte Wolfgang Holzhäuser.
Der Geschäftsführer von Bayer 04 Leverkusen schaut sich die größte Baustelle der Bundesliga jeden Tag an - mit der Zuversicht, im Sommer 2009 eine neue prächtige 30000-Mann-Arena vorzufinden, und mit der Sorge, dass weiter nicht alles nach Plan läuft. Es wirkt wie das organisierte Chaos, was an der Bismarckstraße in der rheinischen Chemiestadt geschieht. Sieben Kräne ragen um das halb abgerissene Stadion empor, von dem das Dach entfernt wurde. Nach den extremen Regenfällen der vergangenen Wochen ähneln die Baugruben zuweilen wahren Schlammwüsten. Dieser Stadionbau macht wahrlich keinen Spaß, nicht nur weil sich die Kosten wegen der galoppierenden Baupreise von anfangs 56 auf mittlerweile mehr als 70Millionen Euro erhöht haben.
Nicht nur das Stadion ist eine Baustelle
Ob der Bau pünktlich fertig wird, weiß niemand genau. Mehr als 20000 verschiedene Gewerke am Bau wären zu vollziehen, erklärt Holzhäuser. Vom ursprünglichen Plan, alle Heimspiele weiterhin bei laufenden Arbeiten in Leverkusen durchzuführen, musste man sich verabschieden. In der Rückrunde der neuen Saison weicht die Mannschaft nach Düsseldorf aus. In der Hinrunde wird auf der Baustelle gespielt. Wie sich das Team präsentieren wird, wissen selbst fachkundige Beobachter und die kompetentesten Clubangehörigen nicht genau. Zur Mannschaft passt das Bild der Baustelle: Sie wirkt verheißungsvoll, aber ob das geplante Ergebnis sich so schnell einstellt wie erwünscht, ist unsicher. Der Vorarbeiter ist ein Neuer: Bruno Labbadia heißt der neue Trainer, der im Mai Michael Skibbe abgelöst hat.
"Zwischen Platz vier und Platz acht", ordnet der 42-jährige frühere Stürmer von Kaiserslautern und des FC Bayern seine Mannschaft ein. Diese Bandbreite belegten die Leverkusener auch in der vorigen Spielzeit. Im März waren sie einmal der härteste Verfolger der Münchner, am letzten Spieltag fiel die Mannschaft noch auf Platz sieben zurück, verpasste selbst das Minimalziel UI-Cup und ist nun erst zum zweiten Mal in den vergangenen zwölf Jahren nicht in einem Europapokalwettbewerb vertreten. Dass Skibbe von Holzhäuser und seinem Freund Rudi Völler anschließend vor die Tür gesetzt wurde, war so überraschend wie die Verpflichtung von Bruno Labbadia. Der Darmstädter kam von Greuther Fürth und ist als Trainer ein Erstliganeuling.
Bei Bayer trifft er auch unter den Spielern auf eine Menge Neulinge. Ältere Kräfte sind ausgeschieden: Carsten Ramelow und Sergej Barbarez haben ihre Karrieren beendet. Bernd Schneider, der nach einer verkorksten Saison wegen einer Halswirbelverletzung die EM-Teilnahme verpasste, gehört momentan nur noch nominell zum Team. Die Rückkehr des 34-jährigen Technikers in den Spielbetrieb steht in den Sternen, die Rehabilitation dauert lange. "Vielleicht spiele ich noch einmal in der Hinrunde", sagt Schneider, der auch gerne noch einmal in der Nationalmannschaft auflaufen möchte. Sein Kapitänsamt ist er los. Labbadia, der sich als konsequenter harter Arbeiter profilieren will, ernannte Simon Rolfes zum Spielführer. Der Trainer verordnete seinem Personal einen Zehnstundentag.
Jüngster Kader
Schließlich haben seine Spieler viel zu lernen. Mit einem Durchschnittsalter von nur knapp über 24 Jahren schickt Bayer den jüngsten Kader ins Rennen. René Adler, Gonzalo Castro, Stefan Kießling oder Tranquillo Barnetta haben die beste Zeit noch vor sich, wie auch die fünf Junioren aus Leverkusen, die vor zwei Wochen mit dem deutschen Team U-19-Europameister wurden. Neu geholt wurden der Stürmer Patrick Helmes, der Linksverteidiger Constant Djakpa, ein zuletzt in Rumänien beschäftigter Auswahlspieler der Elfenbeinküste, und dazu zwei brasilianische Toptalente.
Renato Augusto, der bei Flamengo Rio de Janeiro schon als neuer Kaká gefeiert wurde, und Henrique Adriano Buss, ein Innenverteidiger. Früher kaufte Bayer Brasilianer wie Lucio, Zé Roberto, Sergio oder Jorginho, um sie schließlich teuer an den FC Bayern weiterzugeben. Inzwischen werden kleinere Brötchen gebacken. Henrique wurde beim FC Barcelona ausgeliehen, weil die Spanier zu viele Ausländer aus Nicht-EU-Ländern unter Vertrag stehen hatten. Man kalkuliert vorsichtiger bei Bayer. Der Sportdirektor Völler sagt, Wolfsburg sei inzwischen der finanziell potentere Werksverein.
Vorige Saison war Leverkusen der einzige Erstligist im Rheinland, nun ist der Club mit seiner beschränkten Fangemeinde wieder der Konkurrenz aus Köln und Mönchengladbach ausgesetzt. Die Aufsteiger formulieren recht anspruchsvolle Ziele. "Wir wollen die Nummer eins am Rhein bleiben", sagt Meinolf Sprink, der Kommunikationschef des Bundesligisten. Richtig zufrieden wären die Leverkusener aber erst, wenn nach dem Sommer 2009 im neuen Stadion wieder Europapokalspiele stattfinden.
Der Trainer: Bruno Labbadia
Unter den Bundesligatrainern ist er zwar ein Neuling, aber ein Unbekannter in der Szene ist Bruno Labbadia (42) nicht. 19 Jahre lang war der gebürtige Darmstädter Profi, als Stürmer erreichte er etwas Einzigartiges: Labbadia ist der einzige Spieler, der in der ersten und zweiten Bundesliga jeweils mehr als 100 Tore schoss. Mit dem 1.FC Kaiserslautern und dem FC Bayern wurde er deutscher Meister. Seine Trainerlaufbahn begann er vor fünf Jahren beim SV Darmstadt 98, den er 2004 in die Regionalliga führte. Die Leverkusener zahlten eine Ablöse an Fürth, um ihn als Nachfolger von Michael Skibbe vom Zweitligisten in die Bundesliga zu holen