Beiträge von MBL-Störtebeker

    Die Ich-AG im Börsentief


    Reiner Calmund arbeitete sich aus einfachen Verhältnissen bis in die feinste Gesellschaft
    des Fußballs empor. Er wollte immer gewinnen und er gewann viel. Jetzt steht das Spiel auf der Kippe.


    Von UDO BONNEKOH
    LEVERKUSEN Damals, als die „Schwadbud” noch existierte im seinerzeit betulichen Leverkusen, ist Reiner Calmund beinahe allabendlich in den beliebten Treff am Rande des Haberland-Stadions gekommen. Hat sich in dieser „Schwatzbude”, eingepflanzt als Kleinstgaststätte in einen Container, hemdsärmelig zu diskutierenden Rentnern, Jugendtrainern und Freunden gesetzt. Einen wichtigen Termin hat er vorgeschützt, wenn Nahestehende nach dem Mann mit gewöhnungsbedürftigem Zeitbegriff forschten. Er ließ aus avisierten „füneff Minutte” schon mal Tage werden. Und wenig später fand sich ein Kreis zum beliebten Skat, Abart Ramsch zu viert. Als am späten Abend alle Spiele gespielt und, „Maria, noch ‘n Kotelett mit ‘ner Extra-Portion Kartoffelsalat”, fast alles Essbare vertilgt waren, gab es die von „Calli” erfundene „olympische Wertung”. Das vorhersehbare Ende aller flotten Kalkulationen: Der Sieger hieß selbstverständlich Calmund.
    Immer gewinnen: Das ist auch heute noch der ungebremste Antrieb des Mannes, der von ganz unten gekommen ist. Mit sieben Jahren schon hat er den Vater verloren. Der Stiefvater hat bei Rheinbraun in Brühl im Tagebau Braunkohle abgebaut. Die Calmunds wohnten in einer Zechensiedlung mit dem Charme der 50er Jahre, wie sie im Film „Das Wunder von Bern” als Kulisse hätte dienen können. Später der Umzug der Kleinbürger-Familie nach Frechen, weil der Stiefvater versetzt worden war im Energie-Unternehmen.
    Schule schließlich, Fachhochschule mit dem Abschluss als staatlich geprüfter Betriebswirt, Fachrichtung Personalwesen. Nebenbei immer gejobbt ob als Zeitungsbote oder später als freier Mitarbeiter im Lokalsport der „Kölnischen Rundschau”, Ausgabe Köln-Land. Layouten, Schreiben, Redigieren „dat wor dat volle Programm”. Und wenn ihm heute ein Journalist bei einem störenden Anruf etwas von zeitlichem Druck erzählt, winkt er müde lächelnd von der hohen Warte ab. Er kennt das alles und meistens besser. Der (gefühlte) Sieger heißt auch da wie selbstverständlich Calmund.
    Immer gewinnen: Behäbig ist der einst zarte, schlanke Reinhard (so steht der Vorname im Pass) nie gewesen bei seinem Aufstieg zu einem der bekanntesten Deutschen. 1976 lotste ihn der „Jüchener Jung” Willibert Kremer, gerade als Trainer beim Noch-Zweitligisten Bayer installiert, nach Leverkusen. Kremers Auftrag an Calli: Jugendabteilung aufbauen, Spielbetrieb organisieren, Mannschaften mit Trikots ausstatten. Verbunden war dies mit einer ordentlich dotierten Stelle im Personalwesen des Konzerns. Das Ressort Fußball-Nachwuchs blühte bald, sportlich und als Abteilung mit familiärer Atmosphäre als Mini-Gegenentwurf zum „Plastik- und Pillenklub”, der schon allein deshalb auf spärliche Sympathien stieß, weil er sich nur übers Geld definierte.
    Immer gewinnen: Zimperlich ist der heute 57-Jährige mit dem großen Herzen, der bei den Liedern der kölschen Mundartgruppe „De Höhner” schnell ins Sentimentale verfällt, beim behenden Klettern auf der Karriereleiter auch nie gewesen. Zwölf Jahre nach seinem absolut unspektakulären Einzug bei Bayer, als das heute als BayArena firmierende Haberland-Stadion tatsächlich eher einem Kaninchenstall ähnelte, wurde der Name Calmund im Organigramm des Unternehmens als Manager geführt. Michael Meier, einst als Calmunds zähmender Partner vorgesehen in der Führung der Sparte Profi-Fußball und heute beim 1. FC Köln einer der Macher, hat früh aufgegeben in der zehrenden Konkurrenz zum gewichtigen Strippenzieher, der sich Vorteile auch mit rüden Methoden zu verschaffen versteht.
    Immer gewinnen: „Calli hat das Pech, dass er intelligenter ist als die meisten, mit denen er zu tun hat”, sagt einer der wenigen Vertrauten des nun um seinen Ruf kämpfenden „Dicken”, der immer leicht unaufgeräumt daherkommt. Intelligenz schafft entweder Neider oder schreckt ab. Und Calmund hat sich fortschreitend weniger um die Befindlichkeiten der meisten Menschen in seiner Umgebung gekümmert. Abgehobenheit schafft Feinde.
    Er, allen Freuden des Lebens zugetan, hat gleichsam als Synergieeffekt zur sportlich prosperierenden Fußball-Tochter eifrig gewerkelt an der „Marke Calmund”, einer im Handelsregister eingetragenen massigen Ich-AG, mit einer wundersam einfachen Marketingstrategie: Volksnähe über Originalität bis hin zum Abgleiten ins leicht Ordinäre („Man soll nitt höher pisse wolle als man kann”), ständige Präsenz auf allen Wellen, in allen Kanälen und möglichst vielen Druckerzeugnissen. Die Fans hat es nicht gestört, im Gegenteil, sie nennen ihn „das Gesicht von Bayer”, das einem einst steril anmutenden, künstlichen Gebilde Herz und Profil verliehen hat. Und das kostet.
    „Ein Finale in der Champions League und entsprechende Werbung fürs Unternehmen ist eben nicht nur für ein paar Millionen zu haben.” Das sagt er zu der Mannschaft, die seinerzeit den attraktivsten Fußball in der Republik gespielt und entzückte Liebhaber im In- und Ausland hinter sich versammelt hat angesichts der zauberhaften Darbietungen der Ballack, Bastürk, Ze Roberto, Lucio.
    Immer gewinnen: Auch Erfolg und reichlich Anerkennung haben dem generösen Calmund, dem durch ständig gesteigerte Popularität in vielen Belangen das Maß abhanden gekommen ist, nie zu innerer Balance gereicht. „Wenn Ruhe am Berg herrschte, trat er Schneebretter los, die donnernd zu Tal stürzten” heißt es in einer Passage eines Schlüsselromans („Gefährlicher Strafraum”) von Jürgen von Einem über den rastlosen „Calli” und seine Transferaktivitäten in Südamerika auf (lebens-)gefährlichem, schmierigem Terrain. „Risiko gehört zum Geschäft”, hat er immer wieder gesagt, wenn er der Konkurrenz in der Verpflichtung der Brasilianer Emerson oder Lucio mal wieder ein Schnippchen geschlagen hat. Und: „Die Großen fressen nicht die Kleinen, sondern die Schnellen die Langsamen.” Gerade bei und mit den Brasilianern hat der mit einem fotografischen Gedächtnis und einem lange Zeit fast untrüglichen Instinkt für Talente Ausgestattete gute Geschäfte gemacht Ausgleich quasi für manchen Flop bei in typischen Schnellschüssen engagierten Spielern und Trainern.
    Immer gewinnen: Fix, vor allem im Kopf, ist der 150-Kilo-Kerl, und das lässt er unbedarftere Menschen in seiner Umgebung zuweilen auf barsche, gar verletzende Art spüren, damit immer klar ist, wer der Sieger in jedwedem Duell sein wird. Überlegenheit wandelt sich da manchmal gefährlich schnell in abstoßende Selbstherrlichkeit nach Platz-da-jetzt-komm-ich-Art. Verdrängung pur und Schattenwerfen. Im Unternehmen hat er sich in seiner Leverkusener Spätzeit vor der Trennung im Juni 2004 natürlich Feinde geschaffen mit seinem Absolutheitsanspruch nach Fürstenart, seinem Umgang mit Geld nach dem Muster levantinischer Kaufleute. Die, die ihn näher kennen, aber lassen nichts auf ihn kommen, schätzen das auch sensible Schwergewicht als schützenden, fürsorglichen Chef, als mimisch begabten Entertainer, als clownesken Erzähler (allerdings nur beim ersten oder zweiten Durchlauf).
    Immer gewinnen: Calmund, ein „Politik-Chaot”, erzählt gern von seinen Kontakten zum „von mir verehrten” Helmut Kohl oder zu Angela Merkel Merkmale für den gesellschaftlichen Aufstieg in der Vor- und Nach- „Big-Boss” Zeit” bei RTL und Laudationen bei der „Bambi-Verleihung”. Eintritt in die Bussi- und Smoking-Gesellschaft.
    Immer gewinnen: Das Spiel steht für den Leverkusener Ex-Impresario, den „König der Optionen”, im Moment auf der Kippe. „Erstmals als Beschuldigter vor der Justiz, damit musst du erst mal fertig werden, das geht an die Substanz”, sagt er, und meint nicht nur seine eigene. Verdacht der schweren Untreue, Barabhebungen von 580\x10000 Euro, netto gezahlt an einen Spielerberater. Schiebung bei den letzten Leverkusener Spielen der Saison 2002/2003 sogar, als alles den Bach hinunter zu gehen drohte? „Ich kämpfe vor allem für meine Kinder, dass diese haltlosen Verdächtigungen widerlegt werden”, sagt er, der sich selbst gern mal kokettierend als „kleiner Ganove” und „Drecksack” oder als einen bezeichnet, der „auch in die asoziale Kiste greift”. Seine Frau Sylvia, schwer mitgenommen schon 2000 in der Kokain-Affäre um Trainer Christoph Daum, leidet unsäglich unter dem, was sich mittlerweile nicht mehr nur als ein Fall der Kölner Staatsanwaltschaft darstellt, sondern als eine auch die Fans anwidernde „Schlammschlacht”. Leverkusen, der Uefa-Cup-Gewinner von 1988, der Champions-League-Finalist von 2002, als Skandalklub.
    Verlieren gehört nicht in die Calmundsche Vorstellungswelt, und wenn, dann allenfalls in gewinnenden Finals wie 2002.

    Zwei Verletzte: FC-Fans bewarfen Bayer-Fanzug



    VON TOBIAS KRELL
    LEVERKUSEN/KÖLN Im Sonderzug mit Diskoabteil feierten die Fans von Bayer 04 ausgiebig den 2:0-Sieg beim VfB Stuttgart. Für zwei Anhänger nahm die Fahrt jedoch ein unschönes Ende. Sie wurden bei Auseinandersetzungen am Kölner Hauptbahnhof leicht verletzt. Fans des 1. FC Köln hatten den Sonderzug mit Glasflaschen beworfen.
    Eine der Flaschen traf durch ein offenes Zugfenster eine gläserne Abteiltür. Diese ging zu Bruch. Durch die Splitter zog sich ein Fan eine Wunde an der Wange, ein anderer eine am Kinn zu. Während der Zug mehrere Minuten im Bahnhof stand, war zudem einer der Bayer-Fans der Türwache des eigenen Ordnungsdienstes entwischt und prügelte sich auf dem Bahnsteig mit älteren FC-Anhängern.
    Andreas „Paffi” Paffrath war auch gestern noch außer sich. Der Bayer 04-Fanbeauftragte will sich heute mit der Bahn und der Bundespolizei (ehemals Bundesgrenzschutz) in Verbindung setzen. Denn die Verantwortung für die Vorfälle sieht er dort. „Ich halte es schon für absolut unverantwortlich, dass die Bahn den Zug über Köln-Hauptbahnhof fahren lässt. Dass er dort auch noch anhalten muss, hat die Sache noch schlimmer gemacht”, sagte der Fanbeauftragte.
    Ordner hätten ihm berichtet, dass der Zug sogar angekündigt worden sein soll. „Es muss im Bahnhof eine Ansage gegeben haben, dass ein Sonderzug mit Leverkusener Fans einfährt und auf welchem Gleis”, sagt Paffrath. Das dadurch ohnehin frustrierte Kölner Fans auf den Bahnsteig gelockt werden, sei klar. „Paffi” will nun klären, wer dafür verantwortlich war.
    Von der Bundespolizei hätte er sich Präsenz auf dem Bahnsteig gewünscht. „Es war bekannt, dass wir über Köln-Hauptbahnhof fahren. Mit ein paar Beamten und möglicherweise auch einigen Platzverweisen gegen Kölner Fans hätten die Vorfälle wahrscheinlich verhindert werden können”, meint er. Das alles könne er nicht nachvollziehen. Da sei falsch geplant worden. Was besonders ärgert: Im Vorfeld der WM werde in Sachen Sicherheit so viel unternommen \- teilweise auch gegen den Wunsch der Fans und dann passiere ein solch gravierender Fehler. Darum verlangt Paffi eine Klärung, um solche Situationen in Zukunft zu vermeiden.



    Kommentar dazu:


    Gefährliches Spiel der Bahn mit Fans
    Der Vorfall im Bahnhof Köln gehört ab sofort aufgenommen ins Unterrichtsmaterial von Polizei und Bahnmitarbeitern. Überschrift zum Kapitel: Wie schaffe ich es, Fans von verfeindeten Clubs gezielt aufeinander zu hetzen. Bittere Ironie beiseite: Auch angesichts der vielen Sicherheitsübungen im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft ist es kaum zu glauben, dass ein Fan-Zug mitten im feindlichen Gebiet gestoppt und dies dann auch noch dem schlagbereiten Gegner mitgeteilt wird. Warum wurde der Zug so detailliert angekündigt? Haben die verantwortlichen Bahnmitarbeiter noch nie erlebt, wie Fans gegeneinander vorgehen, wenn sich die Gelegenheit bietet? Diese Bahner gehören abgestellt an die vorderste Fan-Front. (US)



    Quelle für beide Artikel: Rheinische Post vom heutigen Tage

    Es stinkt sehr stark vor lauter Schmutz


    Da hat Wolfgang Holzhäuser ja völlig Recht in seiner Feststellung, dass die so genannte Finanzaffäre „eine missliche Situation für alle” und eine Belastung für den Fußball ist. Auch die Öffentlichkeit sehnt sich nach Aufklärung, ob in einem noch zu eröffnenden Verfahren oder mit Einstellung der Ermittlungen. Während dessen oder vielleicht gar danach aber wird der „Fall Calmund” noch Stoff liefern für Fragen nach Verursachern, Helfershelfern, nach Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten, nach Wissen und Nichtwissen zu bestimmten Zeitpunkten, nach Intrigen nach einem Masterplan womöglich, der hinter zunächst zögerlicher Haltung hinsichtlich behaupteter Verfehlungen und der dann sehr offensiv wirkenden Begleitung von Vorwürfen und Verdächtigungen steckt. Als höchst merkwürdige Praxis mutet gar an, dass sich, wie der „Spiegel” heute berichtet, die Bayer AG vorsorglich so etwas wie eine Expertise eines Rechtsgelehrten hat anfertigen lassen mit folgender Absicht: klären zu lassen, welche juristischen Konsequenzen eine mögliche Schiebung habe. Der beauftragte Wissenschaftler soll es es für legitim gehalten haben, Calmund bei der Trennung zur Vermeidung einer öffentlichen Auseinandersetzung eine übliche Abfindung zu zahlen. Argument: Der erwartbare immaterielle und materielle Schaden bei einer öffentlichen Diskussion über Manipulationsvorwürfe sei größer als die an Calmund zu leistende Zahlung. „Es ist legitim, alle juristischen Fragen abzuklopfen”, sagte Holzhäuser auf entsprechende Fragen. Und noch eines sagte der Geschäftsführer mit Blick auf angebliche Manipulationen: „Wenn sich herausstellen sollte, dass die Behauptungen nicht stimmen, ist das nicht so tragisch für Bayer.” Das ist eine sehr exklusive Einschätzung. Im Moment stinkt es stark vor lauter Schmutz in Leverkusen.
    Udo Bonnekoh

    Überwiegend sonnig


    Leverkusens Fußball-Profis gingen beim Erfolg in Stuttgart zur Abwechselung mal wieder mit Disziplin und Konzentration voran und übten sich danach in angenehmer Zurückhaltung.




    Von UDO BONNEKOH
    LEVERKUSEN Ziemlich spät am Nachmittag erreichten nur noch wenige Strahlen des tief stehenden Planeten eine Ecke des Gottlieb-Daimler-Stadions in Stuttgart. Und genau dort, im eng umrissenen Areal, erfreuten sich die paar Hundert ins „Ländle” gereisten Leverkusener Fans an den spärlichen Strahlen und schwenkten heftigst Fähnchen. Die Parade von Mannschaft und Trainer nahmen sie nach Bayers 2:0 fröhlich ab. Auch Erfolg wärmt. Was für die allgemeine Wetterlage an einem fast frühlingshaften Tag zutraf, galt übertragen auch für den Leverkusener Auftritt: „Überwiegend sonnig”.
    Von einem Ausbruch der Gefühle, der mit der bestimmten Jahreszeit gerne verbunden wird, konnten bei frohlockenden Bayer-Profis aber nicht die Rede sein. Ihre Bewertungen waren von angenehmer Zurückhaltung geprägt. Kapitän Carsten Ramelow, der eine solide Partie im Mittelfeld ablieferte, befasste sich mit den (nicht eingetretenen) Folgen einer denkbaren Niederlage, um die Bedeutung des Erfolgs deutlich zu machen: „Bei einer Niederlage wäre der Uefa-Cup-Platz weit weg gewesen.” Tranquillo Barnetta hatte wohl die häufigen Schwankungen des Teams im Sinn, als er feststellte: „Wir müssen erst mal nachlegen. Dann können wir weiterschauen, was den fünften Rang betrifft.”
    Einen ihrer Konkurrenten in diesem reichlich zähen Wettrennen ums Ticket fürs internationale Geschäft beherrschten die Leverkusener mit eher defensiver taktischer Grundausrichtung überraschend eindeutig. „Wir haben sehr konstruktiv nach vorne gespielt”, meinte Michael Skibbe zu den Schnellangriffen, meist über die rechte Seite inszeniert, auf der Paul Freier viel Betrieb machte. Fein auch sein Schuss mit dem Außenrist ins Glück, wobei das vorangehende Zuspiel von Dimitar Berbatov ebenfalls hohe Qualität erreichte. „Der Schnix hat mir gesagt, dass der Bundestrainer da ist. Ich habe mir vorgenommen, es zu probieren wie immer”, berichtete Freier vom Vorgespräch mit Bernd Schneider.
    \x14Ehe Berbatov, der ungekrönte König unter Leverkusens Technikern, mit seinem 2:0 (nach einer mit feinem Fuß geschlagenen Flanke von Marko Babic) die Tänze der Kollegen, Trainer und Fans auslöste, hatte Michael Skibbe nach eigenem Bekunden „nur einmal Angst”. Das war nach „einem Eckball für uns, einem Ballverlust und einem Konter über Gomez”. Der Stuttgarter enteilte dem Schweden Stenman, kam aber zu weit ab vom starken Schlussmann Jörg Butt, um Schaden anzurichten. Was sonst noch an Gefahr drohte, beseitigten in der Regel Butt, Juan oder Jens Nowotny.
    Die Begegnung am Samstag mit Kaiserslautern wird wohl schwieriger zu führen sein als die beim VfB.

    Die Tretmühle


    Michael Skibbe fürchtet sich nicht vorm Restprogramm, das nur vier Heimspiele für Bayer vorsieht, aber sechs Partien
    auf fremden Terrain. Morgen in Bielefeld müssen die Leverkusener auf Voronin verzichten.

    Von UDO BONNEKOH
    LEVERKUSEN Von wegen. Fußball-Profis beschäftigen sich trotz landläufiger Meinung in ihrer freien Zeit eben nicht überwiegend mit Playstation, Musik und Video. Sie verfolgen schon aufmerksam das, was um sie herum passiert. Das tun vor allem jene Spieler, die auch sonst mit Aufmerksamkeit teilnehmen am Zeitgeschehen. Und im Mikrokosmos Leverkusen ist gegenwärtig das Thema Reiner Calmund/Bayer aktuell und die Kriminalgeschichte um scheinbar verschwundene 580 000 Euro. „Natürlich interessiert uns das”, sagt etwa Torhüter Jörg Butt, „auch wenn wir nichts Näheres wissen und unsere Informationen aus der Zeitung beziehen.”
    Obwohl die besagte Affäre „alle beschäftigt”, glaubt Trainer Michael Skibbe nicht an negative Einflüsse aufs Team: „Die Vorgänge haben nichts mit der aktuellen Mannschaft zu tun und auch nichts mit dem Verein.” Calmund ist offenbar Geschichte. Der Fußballlehrer sieht es naturgemäß als seine Pflicht an, alles Störende fern zu halten von seinen Untergebenen oder es zumindest einzudämmen. „Wir müssen uns darauf konzentrieren, die gute Phase, die wir haben, fortzusetzen, um weiter nach vorn zu kommen.” Vor der Partie am Samstag in Bielefeld sind die Leverkusener erst mal zurück gefallen auf Rang sieben durch die Ergebnisse vom Sonntag und Dienstag. Das Auf und Ab wie in einer Tretmühle wird nach Skibbes Ansicht wohl auch anhalten bis Ultimo.
    „Keiner wird sich entscheidend absetzen können”, sagt er und meint jene Teams, die um die Plätze fünf und sechs rangeln. Dass Bayer von zehn Aufgaben nur vier in der eigenen Arena angehen kann, schreckt Skibbe nicht, mögen auswärts auch Konkurrenten warten, die ähnliche Ziele verfolgen wie Bayer (Stuttgart, Dortmund, Berlin, Hannover) oder viel höhere (HSV). Vor der besseren Gegnerschaft fürchtet sich der Coach auch deshalb nicht so, „weil wir beim 1:1gegen eine richtig gute Elf wie Bremen super mitgehalten haben”.
    Was nicht heißen soll, dass er Arminia Bielefeld gering schätzt: „Im Gegenteil, die Arminia ist heimstark.” Für die Partie auf der „Alm” in Ostwestfalen kann Skibbe fast alles das aufbieten an Personal, was ihm in den vergangenen Wochen überwiegend Spaß bereitet hat „mit Stabilität” und dem „Herausspielen von vielen Chancen”. Das „Fast” bezieht sich auf Andrej Voronin, der am Samstag gesperrt ist. Der Bayer Coach macht sich aber deswegen keinen großen Kopf und bietet Athirson, Jacek Krzynowek und Michal Papadopulos als denkbare Alternativen auf links an und Fredrik Stenman dahinter.

    Was sind das doch für herrliche Zeiten in Leverkusen. Zwölf Punkte hat das erste Fußball-Team der Stadt schon gesammelt aus den ersten sechs Begegnungen der Bundesliga-Rückrunde (zwei Zähler mehr sind das als beim gleichen Programm in der ersten Halbserie). Rudi Völler darf sich bestätigt fühlen in seiner (korrigierten) Prognose, dass die Mannschaft das Zeug hat fürs internationale Geschäft. Und der Aufschwung seit Februar hat zur Freude der Fans seine erste Krönung erfahren durch diese Lektion, die den Kölnern am Samstag zuteil wurde in aller Unerbittlichkeit. Da ließen sich für den Moment tatsächlich Welten ausmachen. Nur: Michael Skibbe ist klug genug, vom schönen Augenblick nicht aufs große Ganze zu schließen, was die Leverkusener Führung ja schon mal fatalerweise getan hat zum Beginn dieser verwirrenden Spielzeit. Stichwort Augenhöhe mit den Bayern. Der Bayer-Trainer wird sich sicherlich nicht dafür zu entschuldigen haben, dass unter den Kontrahenten im neuem Jahr mehrheitlich „Fallobst” zu finden war. Wolfsburg, Duisburg, Köln das hatte nicht viel mit Bundesliga zu tun. Selbstbewusstsein, Festigkeit aber lässt sich auch über solche Partien erwerben. Dies gilt es in den nächsten Wochen und Monaten zu beweisen. Und Skibbe hat sich selbst zu bestätigen, wie er es hält im Umgang mit den Angestellten, nachdem er lange genug gebraucht hat, sich taktisch nach den personellen Gegebenheiten zu richten. Das Programm steckt voller Nagelproben sportlicher Art und Skibbe („Ich bin nicht für die Einzelunteressen zuständig, sondern allein für das Wohl der Mannschaft” hat auch mit Blick auf die WM-Ambitionen einiger seiner Angestellten mit Härtefällen (gegenwärtig Roque Junior, Ramelow, Babic ) umzugehen. Das werden Reifeprüfungen für Team und Trainer schön spannend.
    Udo Bonnekoh

    Erbärmliche Kölner Verfassung befördert Leverkusener Laune: Im Derby ließen sich Berbatov, Voronin und Krzynowek lange Zeit mit den schmerzhaftesten Eingriffen beim designierten Absteiger


    Von UDO BONNEKOH
    LEVERKUSEN Dimitar Berbatov hat kurz vor Schluss doch noch mal leicht vergrätzt Sichtkontakt aufgenommen zu Abwehrchef Jens Nowotny. Und der Bulgare hat dem Abwehrchef fragend bedeutet, was sich dieser wohl dabei gedacht habe, die vom Lattenkreuz zurückspringende Kugel mit der Hacke aus brenzliger Lage befördern zu wollen anstatt mit weitem Kick auf die Tribüne. Zauberei, das sollte der vergleichsweise diskrete Vorwurf wohl bedeuten, falle erstens nicht in die Zuständigkeit der Abwehr, und sie sei, zweitens, unangebracht in einem Derby in Köln, das die Leverkusener unbedingt ohne jeglichen Makel beenden wollten. Es ist ja auch nichts passiert, was auf die gute Laune hätte schlagen können. 3:0 in Müngersdorf das war alles in allem ein Lust-Spiel für die laufenden Angestellten, für Trainer, fürs Funktionsteam und die Bayer-Honoratioren auf der Tribüne, die ihren Blick mit Wohlgefallen auf das Treiben richteten.
    „Ich hab‘ zunächst mal befürchtet, dass das wieder so‘n Grottenkick werden könnte wie schon oft in Müngersdorf, bei dem keiner dem anderen weh tun will”, erklärte Nowotny sein Befinden in der Phase, als sich die erbärmliche Kölner Konstitution noch nicht absehen ließ. Dass sich die Leverkusener allerdings so lange Zeit ließen mit den schlagenden Argumenten für spielerische Leichtigkeit, für taktisches Geschick und Bewegungsfreude, gehörte ganz gewiss zu den Merkwürdigkeiten dieser Partie. Diese lächerlich unsortierte, unbedarfte Kölner Defensive gehörte früher abgeschossen. „Hauptsache, dass wir überhaupt so viele Chancen herausspielen”, meinte Trainer Michael Skibbe voller Nachsicht im Rückblick auf den aufreizend lässigen Umgang mit Chancen, den besonders Berbatov in all seiner provokanten Schlaksigkeit pflegte.
    Was den Kölnern bei ihrer Vorführung durch den fröhlich kombinierenden Gegner noch gut tat: Die Leverkusener machten es kurz mit ihren schmerzhaftesten Eingriffen. Paul Freier zu Berbatov, Tranquillo Barnetta zu Andrej Voronin das war es innerhalb von zwei Minuten, ehe der starke Bernd Schneider dem Kollegen Krzynowek noch was Gutes tat beim 3:0 mit einem selbstlosen Querpass.
    „Das ist Fußball, wie ich ihn mir vorstelle”, lobte Sportchef Rudi Völler, „wir schießen Tore und stehen hinten auch noch gut.” Skibbe gefällt der Aufschwung natürlich auch, der Coach aber mag sich (noch) nicht euphorisch äußern: „Die Messlatte wird das Spiel am Samstag gegen Bremen sein”, sagt er unter Vorbehalt und kleidet seine Vorausschau in „Wenn”-Form: „Wenn wir weiter so auftreten, ist auch was in Hamburg, Stuttgart und Berlin zu holen.” Das Programm ist noch voller Probleme.

    B & B - die Baumeister


    Das Leverkusener Spiel gegen anfangs völlig schmerzfrei werkelnde Duisburger lebte auch in seinen schwierigen Phasen von den Fähigkeiten der Berbatov und Barnetta. Freier auch ein Gewinn beim 3:2.


    Von UDO BONNEKOH


    LEVERKUSEN Erst 21 wird er im Mai und hat in seinem öffentlichen Auftreten doch so wenig von einem gewöhnlichen Twen. Er ist umsichtig, abgeklärt, angenehm distanziert, sein Beruf ist ihm viele Gedanken wert, Fleiß und Zielstrebigkeit. Und so stand Tranquillo Barnetta nach dem Leverkusener 3:2 gegen den MSV Duisburg da und erzählte unaufgeregt etwas von seiner noch jungen Karriere als Torjäger mit nun schon fünf Treffern als Mittelfeldspieler. „Den Ball habe ich etwas glücklich getroffen, der hätte auch aufs Dach gehen können”, sagte der Schweizer zu seinem 2:0, zu dem ihm der Kollege Berbatov mit einem famosen Außenrist-Pass die Vorlage geliefert hatte.
    Der Ball ging eben nicht auf die Tribüne, sondern schlug ein hinter dem bedauernswerten Duisburger Zerberus Koch, der nicht mal mehr einen Arm hoch bekam zur Abwehr, so viel Wucht saß hinter dem Schuss. Und weil den Leverkusenern nicht lange vorher ähnlich Gutes widerfahren war durch Paul Freiers Hieb nach der Kooperation mit Barnetta, wurde vor allem die Attacken-Abteilung im Bayer-Ensemble erfasst von der Leichtigkeit des Seins. Und da Voronin und Kompagnons alles verstreichen ließen in der irrigen Annahme, Verpasstes ließe sich locker nachholen gegen diese anfangs völlig schmerzfrei-teilnahmslosen Duisburger, lästerte nachher Jens Nowotny gallig: „Hut ab, was wir da vorne alles an Chancen vergeben haben.”
    Wenn sich aber ein paar Leverkusener in einem leichtsinnig gewordenen Team ausmachen ließen, die streng nach Ordnung strebten und nach geregeltem Schwung, gehörten dazu gewiss Barnetta, der weite Wege ging voller Ernsthaftigkeit, und der leichtfüßige Berbatov, beide Baumeister des unverhofft so schwer zu vollendenden Werks.
    Zum glücklichen Ende freilich musste auch Jacek Krzynowek etwas beitragen mit einem scharf geschlagenen Flankenball auf Berbatovs Kopf. „Wenn du dieses Spiel mit 2:3 verloren hättest, würdest du es nachher ganz sicher nicht verstehen können”, meinte Trainer Michael Skibbe, dem die Szenen mit überschwänglichem Verzicht auf Effizienz und Duisburger Chancen (für Tararache vor allem) über Lavrics Tore hinaus nicht aus dem Gedächtnis gehen mochten. Der Fußballlehrer allerdings wollte auch nicht mehr das Fehlverhalten von Fritz und Juan beim 1:2 geißeln und auch nicht Butts Abklatscher vorm 2:2. „Hauptsache, wir sind vom Ende weg und können nach oben schauen”, sagte Skibbe frohgemut.
    Tranquillo Barnetta, der nicht gelitten hatte unter Biliskovs Kopfstoß (siehe „Leute” in der rechten Spalte), riet zur Vorsicht. „Das Derby in Köln ist ein ganz anderes Spiel”, betonte der 20-Jährige, als wäre er schon zig-mal dabeigewesen.

    Berbatov, der Künstler


    Mit dem Kopfball zum 3:2 entschied der Leverkusener das Spiel gegen den MSV. Der Duisburger Biliskov dagegen leistete sich einen Kopfstoß Trainer Kohler drohte ihm nach dem Platzverweis mit Sanktionen.
    Von UDO BONNEKOH
    LEVERKUSEN Rudi Völler gab mit ausgebreiteten Armen und einem genüsslichen Lachen das Ein-Mann-Empfangskomitee für einen seiner Angestellten. Ein kleiner Klaps auf den Kopf, Daumen deutlich hoch mit sparsamer Geste adelte der Leverkusener Sportchef als weltmeisterlicher Stürmer von einst Bayers aktuell herausragenden Angreifer, der glücklich der Umkleide zustrebte, an den Händeschüttlern vorbei. Dimitar Berbatov, der kurz vor Ultimo mit einem kunstvollen Kopfball ein wunderbares Beispiel für seine ungewöhnlichen Qualitäten geliefert hatte, galt Völlers Zuneigung. Der Bulgare stieg fraglos zum Matchwinner empor beim 3:2 gegen den MSV Duisburg. „Das ist ein guter Spieltag für uns”, sagte Völler beinahe schelmisch grinsend, die Tabelle und die Ergebnisse der Konkurrenten vor Augen. Zwei Punkte sind es nur noch bis zu Platz fünf, bis zum Entree ins internationale Geschäft.


    Guter Spieltag? Die Duisburger empfanden mit Recht das genaue Gegenteil. Ans schlicht Verheerende grenzte die Niederlage in ihrer Ausstrahlung auf Moral und Zahlenwerk. Der Verlust von wichtigem Personal wog auch noch tonnenschwer. „Solche Spiele musst du im Abstiegskampf gewinnen. Das kann am Saisonende entscheiden”, sagte Jürgen Kohler gar nicht mal laut, aber sehr bestimmt. Und in aller Ruhe drohte Duisburgs Trainer, auch ein Weltmeister wie Völler, seinem entgleisten Abwehrmann Biliskov mit Sanktionen. Dieser Kopfstoß gegen den Leverkusener Barnetta kommt Biliskov individuell wohl nicht so teuer zu stehen wie Kohlers Vorgänger Norbert Meier ein ähnlich unkontrollierter Gewaltakt kürzlich gegen Kölns Streit. Doch der aufgebrachte MSV-Coach fürchtet eben nachhaltigen Schaden fürs genug gebeutelte Kollektiv. Kohler: „Abgesehen davon, dass wir mit Billi wohl nicht verloren hätten, darfst du dir so etwas in unserer Lage überhaupt nicht erlauben.”


    Duisburger Aufgeregtheiten und Ärger freilich kümmerten die Leverkusener keinen Deut nach einer erregend bizarren Begegnung, die in ihren wundersamen Elementen durchaus heranreichte an Bayers 4:7 auf Schalke. „Verrückt, oder?”, meinte Völler in der Rückschau auf die laufenden Wellenbewegungen, auf die irritierenden Brüche in diesem merkwürdigen Treffen, das anfangs Richtung auf ein Tor-Festival wie jüngst gegen Wolfsburg zu nehmen schien. Da sprangen die Leverkusener mit ihrem Gegner um wie mit Anfängern.


    „Klar habe ich ein Schützenfest befürchtet”, bekannte MSV-Schlussmann Koch, dem stets anzumerken ist, dass die Bundesliga sein angestammtes Arbeitsgebiet ist im Gegensatz zu Baelum etwa oder Möhrle oder Tjikuzu. Bei solch unbedarfter Gegnerschaft frohlockten Freier und Barnetta, die unbeschwert zwei Treffer vorlegten. Berbatov, Voronin und Schneider produzierten eine verführerische Vielzahl von Möglichkeiten. In dem Augenblick, in dem die Leverkusener selbstverliebt Pirouetten zu drehen und Kringel aufs Feld zu zeichnen begannen, nahmen erst schwachbrüstige Duisburger plötzlich Statur an. Und der eifrige, begabte Lavric wurde zum Knipser. „Da war viel zu viel Zauberei vorne, zu wenig Konzentration im Abschluss”, monierte Jens Nowotny, seit rund einem Jahr erstmals von Beginn im Bayer-Team. Und Jürgen Kohler beklagte derweil die verpasste Gelegenheit von Tararache, der mit Wucht schoss statt mit Überlegung. „Machen wir da das 3:2, gewinnen wir allein”, sagte der MSV-Coach und trollte sich traurig.

    Nach dem Reinfall auf Schalke stehen die Leverkusener bei der Partie gegen Duisburg im Wind.
    Transfers mit Sogwirkung: Nach Clemens Fritz scheinen auch für Jörg Butt die Zeichen auf Abschied zu stehen.


    Von UDO BONNEKOH


    LEVERKUSEN Nur keine Aufregung. So läuft halt das schnelllebige Geschäft, zu dem der Wechsel von Zeit zu Zeit wie selbstverständlich gehört. „Das ist ein ganz korrekter Vorgang”, sagte gestern Mittag Rudi Völler, „ich habe eben mit Klaus Allofs telefoniert.” Und nach diesem Gespräch mit Bremens Manager ist klar, dass Bayer Leverkusens Mittelfeldspieler Clemens Fritz sich wie erwartet Werder als neuen Arbeitgeber ab Sommer ausgesucht hat. In Völlers Stimme schwang nichts von Bedauern mit. „Die Entscheidung von Clemens ist nachzuvollziehen. Wir haben unsere Argumente ausgetauscht und ihm ein ordentliches Angebot unterbreitet”, betont Völler, der ganz offensichtlich weniger Vertrauen in Fritz‘ Leistungsvermögen hat als Allofs. Der gebürtige Erfurter habe nach seiner Verletzung jedenfalls sehr lange gebraucht, um wieder in Form zu kommen, stellte der Sportchef leidenschaftslos fest.
    Um normale Form freilich bemühen sich im Augenblick viele Leverkusener Profis, wenn der Reinfall auf Schalke mit diesem 4:7 als Maßstab gelten soll. Trainer Michael Skibbe aber betrachtet den Auftritt im Ruhrgebiet als singuläres Ereignis, als absoluten Ausrutscher. „Diese großen individuellen Fehler wiederholen sich nicht noch mal”, sagt der Fußballlehrer mit einiger Bestimmtheit vor der Partie am Samstag gegen den schwer gegen den Abstieg kämpfenden MSV Duisburg. Jegliche Art von Szenen will der Trainer den Seinen noch mal vorspielen, um die richtigen Schlüsse für das Duell mit Jürgen Kohlers MSV zu ziehen.
    Was schon klar ist: Jörg Butt (Völler: „Er hätte in Schalke ein, zwei Bälle halten können”) behält nach Skibbes Aussage seinen Platz im Tor, zumindest am Samstag. Alle Zeichen aber deuten darauf hin, dass Butt nach Fritz der nächste sein wird, auf dessen Kooperation die Leverkusener keinen großen Wert mehr legen. „In der übernächsten Woche werden wir mit Jörg die Situation erörtern”, betonte Völler, „dabei steht bereits fest, dass er nicht mehr so viel verdienen kann wie bisher. Wir haben mit Rene Adler bekanntlich schon verlängert, und Tom Starke, der im Moment in Paderborn gut hält, können wir im Sommer zurückholen.”
    Von Verstärkungen anderer Art ist bei Bayer nicht die Rede. „Wir haben ja im Vorgriff schon Stenman und Papadopulos verpflichtet, dazu kommt Stefan Kießling”, bekräftigte Völler, der allenfalls noch Spieler holen will, die ohne Ablöse zu haben sind. Andere freie Stellen sollen mit Personal besetzt werden, das sich bereits im Kader befindet oder dem eigenen Nachwuchs entspringt.
    Wie Skibbe das Team gegen den MSV bildet (etwa ob er Jacek Krzynowek beruft und Roque Junior oder gar Jens Nowotny) behielt er für sich. Spannung soll wohl sein.

    Im Streit das Ohr halb abgetrennt


    LEVERKUSEN (TK) Zu einer schweren Schlägerei kam es am Samstagabend gegen 21.30 Uhr in einer Wiesdorfer Gaststätte. Gerade vom Leverkusener Auswärtsspiel in Gelsenkirchen zurückgekehrte Fans von Bayer 04 waren mit den Wirtsleuten in Streit geraten. Das bestätigte die Polizei gestern auf Anfrage der Rheinischen Post. Im Verlauf der Auseinandersetzung wurde einem Gast das Ohr mit einem Plattiereisen (Schnitzelklopfer) teilweise abgetrennt. Es musste in der Unfallklinik in Köln-Holweide genäht werden. Zum Hergang des folgenschweren Streits und dessen Ursachen gibt es unterschiedliche Versionen der Beteiligten.
    Sicher scheint nach RP-Recherche jedenfalls, dass die Auseinandersetzung eine Fortsetzung in und vor einem Opladener Szenelokal fand. Mehrere Männer attackierten dort einen Gast, der ebenfalls der Fanszene von Bayer 04 zugeordnet werden kann. Die Polizei schließt nach Auskunft eines Sprechers einen Zusammenhang mit den Vorfällen in Wiesdorf zwar aus. Der Angegriffene (Name der Redaktion bekannt) jedoch versicherte im Gespräch mit dieser Zeitung genau dies. „Obwohl ich bei der Situation in der Wiesdorfer Gaststätte gar nicht dabei war, wurde ich ganz gezielt darauf angesprochen. Ich bekam mehrere Tritte gegen den Kopf und hatte dann plötzlich ein Messer an meiner Kehle”, erklärt er noch immer merklich schockiert.
    Verletzt wurde jedoch nach Angaben der Polizei bei dem Vorfall in Opladen weder der Attackierte, noch einer aus der Gruppe der Angreifer, die die Beamten auf ungefähr zehn bis 15 Personen stark schätzten.

    Der Optimismus kennt keine Grenzen


    Da kann ja nicht mehr viel passieren, wenn alles mit rechten Dingen zugeht. Zwei Siege gegen Frankfurt und Wolfsburg haben nach der Winterpause gereicht, um die Leverkusener von ihren sportlichen Existenzsorgen zu befreien. Und das Programm der nächsten Wochen (gegen Duisburg und Köln) lässt vermuten, dass noch was aufs Konto kommt, ehe für gewöhnlich starke Bremer ihre Aufwartung machen. „Wir schauen natürlich nach oben”, sagte Rudi Völler am Samstag ungeachtet dieses Willkür-Fußballs, dieses nur mäßig spaßigen Auftritts von lauter Vogelwilden im Ruhrgebiet. Und der Witz schlechthin ist, dass Bayers Orientierung nicht unverzüglich mit dem Etikett Phantasterei versehen werden darf. In dieser unsäglich armseligen Liga, in der ab Rang fünf nur noch mehr oder minder anödende Blender, bieder Werkelnde oder mit viel Energie, aber ohne Potenzial strampelnde Abstiegskandidaten versammelt sind, scheint nichts unmöglich. Wer mag denn im allgemeinen Siechtum streng das Maß anlegen? Mit einigermaßen klarem Blick aber lässt sich dennoch nicht übersehen vor allem nicht nach Leverkusens Begegnungen mit Gegnern von gewisser Stärke: Bayers Personalpolitik ist nicht von hoher Fachkenntnis geprägt, die Zusammenstellung des Kaders hat wenig zu tun mit den allgemeinen Erfordernissen, sondern viel mit Flickwerk. Von den Neuzugängen ist nur Barnetta ein offensichtlicher Gewinn, einer mit Perspektive. Und im Moment ist der Schweizer dabei, auf einer Position im vorderen Mittelfeld jene Unbekümmertheit, jenen Schwung und jene Form zu verlieren, die ihn bislang als Verstärkung ausgewiesen haben. Hinter den Spitzen herrscht Leere, und die Fans werden schon mit Grausen an den Verkauf von Berbatov denken, einen der wenigen verbliebenen Bayer-Profis von internationaler Klasse. Doch der Optimismus kennt bei Bayer kaum Grenzen.
    Udo Bonnekoh

    Freistil


    Mit geordnetem Fußball, mit Strategie hatte die Leverkusener Partie auf Schalke nicht
    viel zu tun. Ein wilder Kick macht Bayers Schwund an Qualität deutlich.


    Von UDO BONNEKOH
    LEVERKUSEN Darin hat er ja reichlich Übung gesammelt in dieser Saison. Deshalb entledigte Rudi Völler sich seiner Aufgabe als nachsichtiger Moderator, als Diplomat in aller Routine. Und hinter Bayer Leverkusens wortreich konkrete Kritik vermeidendem Sportchef entschwanden die schwer Geschlagenen nach dem 4:7 auf Schalke in aller Eile einer nach dem anderen ohne erkennbare Neigung, sich öffentlich zu äußern zu diesem veritablen Reinfall bei einem Gegner, der in den sieben Jahren zuvor gegen Bayer nicht hatte gewinnen können.
    „Wir haben zu viele Geschenke verteilt”, lautete eine der Völlerschen Einlassungen nach einer Partie, die Schalkes Trainer Slomka sogar als „klasse” einstufte. Geschenke? Die Leverkusener offenbarten nur ein paar mal mehr als die Blau-Weißen ihren eklatanten Schwund an individueller und kollektiver Klasse. An dieser Darbietung von wildem Freistil-Fußball ohne erkennbare Ordnung, ohne ablesbare Strategie beteiligten sich bei Bayer in besonders eklatanter Weise zwei Akteure, die in den vergangenen Wochen Form und Stabilität aufgebaut zu haben schienen.
    Ahmed Madouni stand nicht nur vorm 0:1 (mit dem ebenfalls total daneben liegenden Carsten Ramelow) verloren im Wald. Jörg Butt griff bei Schalkes 4:2 auf Mitleid erregende Art daneben. Und warum nahmen auch das 2:0 und 3:0 der Schalker über die linke Leverkusener Seite ihren Ausgang? Weil dort Athirson und Fredrik Stenman in vielen Szenen gar nicht anwesend waren oder auf andere Weise dilettierten.
    „Ich muss der Mannschaft sogar ein kleines Kompliment machen, ich betone ein kleines”, sagte Völler auch noch. Die Leverkusener setzten den nach dem 3:0 überheblich werdenden „Knappen” tatsächlich zu. Das gelang besonders Andrej Voronin und dem mal wieder in vielen Momenten genialisch wirkenden Dimitar Berbatov, dem wohl besten Mann auf dem Platz. Bernd Schneider tat auch sein Werk mit den Flanken zu Voronins 1:3 und Berbatovs 2:3. Aber „Schnix” hatte auch seinen Blackout vorm 5:2 von Larsen, als sich der Leverkusener verrechnete.
    „Torhüter sind ja dazu da, auch mal einen Ball zu halten”, meinte Völler, der zur Spezies der Schlussleute eine besondere Beziehung pflegt. (Für Völler gibt es nur wenig Gute auf der Welt.) Der Sportchef machte Butt keinen direkten Vorwurf, doch Kuranyis 4:2 nach Butts Fehlgriff wirkte arg niederschmetternd. „Der Knackpunkt aber war das 6:4 der Schalker”, betonten Völler und Trainer Michael Skibbe übereinstimmend. Das fiel rund fünf Minuten nach Jacek Krzynoweks 4:5 nach einem Freistoß von Lincoln. Damit hat Butt ganz, ganz üble Erfahrungen.

    Sturm-Duo bleibt konkurrenzlos
    Von RALPH ELSEN
    LEVERKUSEN Irgendwie scheint das noch nicht so recht hinzuhauen mit der gewünschten Alternative. In der Winterpause hatte der Fußball-Bundesligist Bayer Leverkusen neben dem Schweden Stenman für die linke Abwehrseite im Tschechen Michal Papadopulos auch einen Stürmer geholt. Klarer Sinn dieser Verpflichtung: Der Neue sollte den beiden etablierten Leverkusener Angreifern Dimitar Berbatov und Andrej Voronin Beine machen. Von einem verschärften Konkurrenzdruck ist derzeit in Bayers Offensiv-Abteilung aber keine Rede. „Michal ist im Moment für mich keine Alternative für einen Einsatz über 90 Minuten”, sagt Bayers Coach Michael Skibbe vor dem heutigen Bundesliga-Treffen in der BayArena gegen den VfL Wolfsburg (20 Uhr).
    Glaube als Mittel
    Also sollen es vorn weiter die beiden Torjäger außer Dienst probieren. „Auch wenn ihre letzten Treffer schon etwas länger zurückliegen: Berbatov und Voronin haben große Qualität. Sie müssen jetzt einfach an ein Erfolgserlebnis glauben”, meint der Fußball-Lehrer, der davon ausgeht, dass die Leverkusener gegen die nun von seinem Vorgänger Klaus Augenthaler betreuten Wolfsburger sehr selbstbewusst auftreten werden, „weil die zweite Hälfte gegen Frankfurt und der Auftritt bei den Bayern, wo wir uns gegen einen richtig starken Gegner viele Chancen erspielt haben, dazu Anlass geben”.
    Personell lässt sich Skibbe nicht in die Karten schauen, allzu viele Optionen auf eine Veränderung gibt es aber nicht. Abwehrspieler Roque Junior steigt erst nächsten Dienstag wieder ins Mannschaftstraining ein, Vertreter Ahmed Madouni machte seine Sache zuletzt aber auch ausgesprochen ordentlich. „Ich denke gar nicht daran, ihn wieder raus zu nehmen. Er steht im Moment unheimlich stabil”, sagt der Coach über den Algerier, auch wenn dessen Schwächen in der Spieleröffnung sich nicht plötzlich über Nacht in Luft aufgelöst haben. Ein Kandidat für einen Platz in der ersten Elf wäre vor allem Paul Freier, nicht aber Youngster Gonzalo Castro, der in München gar nicht zum Aufgebot gehörte und „sich im Training erst wieder anbieten muss” (Skibbe).
    Den ersten Auftritt von Klaus Augenthaler an seiner alten Wirkungsstätte nach der Entlassung im vergangenen Herbst sieht sein Nachfolger ganz gelassen. „Ich fände es richtig, wenn er hier von unseren Fans herzlich empfangen wird. Schließlich hat er sich seine Meriten bei Bayer verdient mit der Vermeidung des Abstiegs und der Qualifikation zur Champions League”, sagt Skibbe.

    Es bleibt eine gefährdete Verbindung



    Es haben sich alle Leverkusener Sympathisanten mit oder ohne entsprechende Insignien in München ohne Probleme zeigen dürfen vor dem Termin in der Allianz-Arena oder auch danach. Vorher auch deshalb, weil über die Metropole an der Isar viele Aufsichtskräfte wachten wegen der prominent besetzten Sicherheitskonferenz. Vom sonst pulsierenden Leben auf der Maximilianstraße ließ sich an diesem Samstag wenig erkennen. Bayers Rot-Schwarz fiel da besonders auf. Und nach dem Schlusspfiff konnten Bayer-Fans ohne Scham ihr Trikot tragen. Es ist schon arg lang her, dass die Mannschaft mit Applaus zur Parade gebeten wurde vor jenem Tribünenteil, in dem Münchner Gäste untergebracht sind. Beifall und Gesänge dokumentierten das Einverständnis der Schlachtenbummler mit dem Team. Die Identifikation fiel diesmal auch leichter, weil die allgemeinen Erwartungen eher auf Vermeidung einer derben Abfuhr ausgerichtet waren als auf Punktgewinn oder gar mehr. Was jedoch diesmal selbst in der Niederlage noch auf Zustimmung stieß, wird bald kein Wohlgefallen mehr auslösen, wenn sich das entsprechende Ergebnis nicht einstellt. Die Verbindung zwischen Mannschaft und Anhängerschaft bleibt deshalb gefährdet, weil dieses Bayer-Team auch wegen vieler individueller Mängel abseits der Einstellung nicht in der Lage zu sein scheint, sich über weite Strecken auf hohem Niveau zu bewegen.
    Udo Bonnekoh

    Fehlschaltungen


    Die Leverkusener lieferten den Münchnern mal eine offene Partie. Nach dem 0:1 herrschte bei Bayer allgemeine Trauer. Für einen Punkt mangelte es an Passgenauigkeit und Biss in der Offensive.


    Von UDO BONNEKOH
    leverkusen Andrej Voronin kam aus der Kabine und schilderte ziemlich betrübt sein Unglück. „Der Sagnol hat den Ball eben noch weg gespitzelt”, klärte der diesmal umtriebige Ukrainer auf, warum auch Leverkusens letzte Chance verstrich und das 1:0 des FC Bayern gegen den vormaligen Herausforderer als amtliches Endergebnis in die Bundesliga-Bücher aufgenommen wurde. Tranquillo Barnetta, im Moment nicht mehr so dynamisch unterwegs wie noch in der Hinrunde, lieferte auch einen Beitrag, warum die Leverkusener glaubten, mit sich und der Welt hadern zu dürfen. „Es fehlten mir bei dem Kopfball zehn Zentimeter an Länge”, meinte der Schweizer zu der Szene, in der Voronin von rechts eine perfekte Flanke geschlagen hatte. Womöglich mangelte es Barnetta in dem Augenblick auch etwas an der Verbissenheit und Courage, die Stoßstürmern wie einst Ulf Kirsten eigen sind oder waren.
    Beim flotten Leverkusener Abgang auf dem Weg zum Münchner Flughafen ließ sich Tristesse feststellen als durchgängige Stimmungslage. „Klar, ich bin traurig”, betonte Trainer Michael Skibbe, „wir haben von der ersten Sekunde an nach vorn gespielt. Und die Chancen für Bernd Schneider oder Tranquillo Barnetta waren ja auch gut genug, um in Führung zu gehen.” Doch als den arg selbstsicheren Bayern die Momente der Gefahr nicht zum sichtbaren Schaden gerieten, machte sich im Gegenzug ein schwer wiegendes Leverkusener Defizit bemerkbar: Qualität ist allenfalls periodisch vorhanden, nicht durchgängig. Die Fehlschaltung von Simon Rolfes bei Sagnols Hereingabe und Ballacks Treffer war die offenkundig krasseste, aber beileibe nicht die einzige. „Uns hat allgemein die Passgenauigkeit gefehlt”, bekräftigte Skibbe. Da durften sich vor allem Rolfes, Barnetta, Fredrik Stenman, Athirson und Ahmed Madouni angesprochen, wobei der Algerier in der Abwehr am besten von allen stand.
    Was von den so genannten Stürmern allerdings nach vorne geht, ist bedenklich dürftig. Voronin kommt bei allem Fleiß nicht zum Abschluss, Dimitar Berbatov, dieser wirklich begnadete Techniker, lässt sich viel zu leicht abkochen. Bayerns Lucio, ein Urtyp an Leistungswillen, Erfolgshunger und Kompromisslosigkeit, spendete Bayers Bulgaren dennoch Lob: „Berbo ist ein guter Mann.” Sichtbar wurde dies an diesem frostigen Nachmittag in Bayerns Fußball-Tempel nicht.
    „Wir haben in der zweiten Halbzeit den Ball nicht mehr gut laufen lassen, kaum über Außen gespielt und viel zu oft den finalen Pass versucht”, erklärte Bernd Schneider, „ärgerlich, dass nicht mal ein Punkt herausgesprungen ist.”

    Ballack - eine Klasse für sich


    Nicht nur mit dem Treffer gegen Leverkusen machte der Kapitän der Nationalelf deutlich,
    dass er eine geborene Führungsfigur ist und er wesentlich zur Ausnahmestellung der Bayern beiträgt
    .


    Von UDO BONNEKOH
    MÜNCHEN Irgendwann in der Spätzeit des Spiels ist der von wärmender Wolle umwickelte Felix Magath dann doch herausgetreten aus seinem schützenden Unterstand. Und der gute Mann hat sich in ganzer Größe drohend aufgebaut, um so ein Zeichen des Missfallens zu geben an seine nicht gar so konzentriert arbeitenden Angestellten. Geändert aber hat Bayern Münchens Trainer nichts mit seinem Ansatz von physischer Intervention: Die Münchner spielten ihren Stiefel in aller Kälte herunter und das 1:0 gegen Leverkusen wie automatisiert nach Hause. Das Publikum schien dennoch entzückt, obwohl der Champion dem Kunden über eine Stunde lang ein weit unterdurchschnittliches sportliches Angebot gemacht hatte. Neunte Vorstellung in der voluminösen Arena, neunter Erfolg, im Sauseschritt auf den Titel zu, die Konkurrenz eher minderbemittelt das reicht den Sympathisanten der Bajuwaren schon zum Applaus ohne Vorbehalt.
    Noch ehe sich Qualitätsfragen stellen konnten, die im zur Arroganz tendierenden Selbstverständnis des Meisters einem Tabubruch gleichkommen, verbreitete Uli Hoeneß in Spott verpackte Exklusivmeldungen. „Die Leverkusener”, meinte der Manager, „haben sogar mit Libero gespielt so viel Angst hatten die vor uns.” Und Michael Skibbe versuchte sich sanft in einem Konter und sagte die Wahrheit: „Herr Hoeneß hat ja nicht immer Recht.”
    So war‘s tatsächlich. Selten in der Neuzeit der Bundesliga wagten sich die Leverkusener so frisch ans Werk, so couragiert. Klare Chance für Barnetta, Schneiders Kopfball auf die Lattenoberkante, Schneiders Schuss mit Lizarazus Abwehr auf der Linie neben Kahn mehr Möglichkeiten besaß eine Bayer-Mannschaft so gut wie noch nie gegen eine zumindest in der ersten Halbzeit reichlich desorientierte Münchner Abwehr mit einem wunderlichen Dauer-Irrläufer Ismael. Ballack freilich blendete den negativen Teil des insgesamt nicht überzeugenden Vortrags seiner Kollegen total aus. „Es war eigentlich wie immer, wenn die Leverkusener kommen. Sie spielen ganz gut mit, haben aber kaum zwingende Chancen”, meinte Ballack ohne Anflug von Zweifeln.
    Was die Bayern allerdings haben, und das macht ihre Ausnahmestellung aus: Sie besitzen selbst in dürren Spiel-Zeiten ein paar Heinzelmännchen, die den Laden sauber halten. Vor allem Ballack selbst, der erst mal kurz die zum Teil arg sorglosen Defensivspezialisten mit einem Anpfiff zu mehr Ordnung aufrief und wenige Augenblicke später vorn präsent war, um beim einzigen Treffer seine ganze technische Klasse zu demonstrieren. In Sagnol und Lucio fand die geborene Führungsfigur Ballack am ehesten Verbündete in Geist und Werk.
    „Shit happens”, meinte der des Englischen mächtige Leverkusener Mittelfeldmann Simon Rolfes zu seinem Fehlverhalten, als er vorm 0:1 Sagnols Flankenball fatal falsch berechnete. „Mist passiert” heißt das ein bisschen frei übersetzt. Und weil die Leverkusener reihum zu oft Unrat produziert haben, stecken sie fest in der Grauzone der Bundesliga-Tabelle.
    „Das war eine sehr ordentliche Leistung, mit der ich einverstanden bin”, betonte Bayer Leverkusens Sportdirekor Rudi Völler, „wir sind wieder in der Spur.” Was das heißt, zeigt sich am Mittwoch. Dann wird Wolfsburg in Leverkusen vorstellig mit dem im vergangenen Herbst von Bayer geschassten Klaus Augenthaler.

    Abenteuerreise


    Leverkusener Fahrten nach München endeten selten fröhlich. Michael Skibbe verlangt von seiner
    Mannschaft fürs Duell mit den Bayern besonders Courage.

    Von UDO BONNEKOH
    LEVERKUSEN Sie haben es ja reihum versucht, sich den Bayern auf verschiedene Weise zu nähern. Mal übten sich die Leverkusener vor einem Treffen mit den Münchnern verbal in Demut, mal glaubten sie forschere Akkorde anschlagen zu können. Aber wie auch immer die Herren von Bayer, Spieler inklusive, sich vorher verhalten haben, meist haben sie die Spielstätte des großen bajuwarischen FC danach nicht fröhlich verlassen, zumindest nicht in der Neuzeit der Bundesliga. Der letzte Sieg dort? Richtig: Marek Lesniak hieß der Torschütze zu Bayers 1:0 am 21. Oktober 1989.Doch was in fernerer Vergangenheit war, hat ja kaum jemand in der aktuellen Truppe miterlebt, Carsten Ramelow vielleicht ausgenommen, denn der ist nun zehn Jahre Bayer-Mitarbeiter. Und jede Fahrt zum vielmaligen Meister hatte für die Leverkusener was von Abenteuerreise.
    Diesmal macht sich die Leverkusener Delegation auch eher unterwürfig auf in Richtung Süden, um am Samstag in der pompösen Allianz-Arena Premiere zu feiern. Wer wie die Bayer-Profis um 25 Punkte hinter dem Branchenführer sein Dasein fristet, spuckt keine großen Töne, ohne sich lächerlich zu machen. „Wir fahren hin und spielen”, sagt Trainer Michael Skibbe, der nichts davon hält „vorher großartig was zu erzählen”.
    Der Mannschaft allerdings wird der Leverkusener Fußballlehrer gewiss was zu sagen haben in der Vorbereitung auf Partie 19 einer für Leverkusen sehr dürftigen Spielzeit. Und in seiner Ansprache wird viel die Rede sein von der zweiten Halbzeit in der Partie gegen Eintracht Frankfurt am vergangenen Wochenende. „Da haben wir ja zum Teil richtig gut Fußball gespielt mit einer großen Anzahl an Tormöglichkeiten”, sagt Skibbe, der vor allem Courage fordert von den Seinen jene Courage, die die Mainzer kürzlich aufbrachten im Pokal bei den Bayern, die sich ins Halbfinale quälen mussten.
    Da ist es nur die Frage, ob der Trainer selbst ein Zeichen setzt mit einer taktisch mutigen Ausrichtung, um die Sagnol, Lizarazu, Ismael oder Lucio zu binden und weit weg zu halten vom Tor. „Bei den Bayern muss man sich auch mal trauen, Pressing zu spielen und den Gegner hart zu attackieren”, betont der Bayer-Coach, der sich in einer Beziehung treu bleibt: Mit der Formation hält er gern hinterm Berg, aus welchen Gründen auch immer. Clemens Fritz jedenfalls hat seine Angina hinter sich, er kann „ein Stabilisator in der Abwehr sein”. Muss aber nicht. Paul Freier ist gegen Frankfurt zu einem der Matchwinner (neben Jörg Butt) aufgestiegen, was Skibbe gefreut hat. Aber ob er am Samstag in der Allianz-Arena zur Startelf gehört? Nicht unbedingt. „Paul ist auch einer, der, wenn er eingewechselt wird, sofort Betrieb machen kann”, meint der Trainer, der eines aber ganz sicher weiß: „Wir dürfen natürlich nicht so ‘n langen Hänger haben wie gegen Frankfurt in der ersten Halbzeit.” Dafür hat er noch immer keine Erklärung. Bei einer Wiederholung morgen wird es wohl fürchterlich.



    Quelle: Rheinische Post vom heutigen Tage

    So laut wie in der Pause der Begegnung mit Eintracht Frankfurt erlebten
    die Leverkusener Fußballprofis Trainer Michael Skibbe noch nie. Auch Sportchef Rudi Völler übte trotz des 2:1-Sieges Kritik.


    Von UDO BONNEKOH
    LEVERKUSEN Wenn viel Ballast abgefallen ist, geht es manchmal hoch hinaus. Ohne alle seelische Beschwernis vollführte Michael Skibbe seinen Luftsprung, die Arme geschmeidig gestreckt. Bayer Leverkusens Trainer durfte das schmeichelnde 2:1 gegen Frankfurt getrost als Beitrag zur Arbeitsplatzsicherung bewerten, die Leverkusener Führung mit Wolfgang Holzhäuser und Rudi Völler zog sich nach dem sportlichen Akt der Deeskalation bei hochexplosiver Gemengelage geordnet zurück. Und im Bewusstsein des (erst) zweiten Sieges in zehn Bundesligapartien in seiner Amtszeit gestattete sich Skibbe ein paar starke Worte der von Teilen der Mannschaft wegen seiner Sanftmut und stillen Art schon ausgiebig parodierte Fußballlehrer hatte seine Wüterich-Premiere.
    „Den Dreck, den wir in der ersten Halbzeit gespielt haben, können wir nicht weiter anbieten. Wir müssen mal richtig aus dem Quark kommen”, sagte Skibbe, der sonst eher zur Hochsprache neigt, reichlich aufgebracht. Und ein Ohrenzeuge, der seinen Vorgesetzten in der Pause hatte schreien hören und toben sehen, meinte arg verwundert: „So laut habe ich den Trainer noch nie erlebt.”
    Für Rudi Völler, dem cholerische Anfälle nicht fremd sind, schien der verbale Ausbruch des sich meist vornehm ausdrückenden Übungsleiters in einer nicht schalldichten Kabine zwingend. „Wir haben ja in der ersten Halbzeit nicht mal schlecht gespielt, sondern gar nicht. Alibi war das, Angsthasen-Fußball, wie ein Freundschaftsspiel”, bekräftigte der erst spät besänftigte Sportchef: „Nachher ist unsere Mannschaft aufgetreten, wie wir uns das vorstellen.”
    Das positive Nachher freilich ließ sich weniger verbinden mit Skibbes geharnischter Intervention als mit passendem Personalwechsel, einer für Bayer glücklichen Einflussnahme der Eintracht und des Schiedsrichters. Paul Freier benötigte bei seinem ersten Saisontor den Frankfurter Mittelfeldmann Copado als Bande, dem 2:1 des sicheren Elfmeterschützen Jörg Butt („Vom Pfiff bis zur Ausführung hat es nervend lange gedauert”) ging eine fragwürdige Foul-Entscheidung nach einem Laufduell zwischen Athirson und Vasoski voraus.
    Bei soviel Ungemach und Säuernis verdammte sich Frankfurts Trainer Friedhelm Funkel zum Schweigen. „Ich hab‘ schon genug Strafgelder bezahlt”, meinte er knapp. Dass die Hessen die anfangs wahlweise ängstlichen, apathischen oder paralysierten Leverkusener bei nur einem Tor von Amanatidis (zudem ein Pfostenschuss) und Chancen für Vasoski und Chris pfleglich behandelt hatten, mochte die üble Laune des Eintracht-Coaches befördert haben. „Vielleicht fehlte uns etwas die Kraft nach dem Pokalspiel in München.”
    „Gas geben und richtig Fußball spielen” das ist Skibbes ewig-neues Stichwort für die kommenden Wochen und Monate. Gewähr dafür mag er selbstverständlich nicht übernehmen, schon gar nicht für den Samstag, wenn sein nach wie vor zerbrechliches Ensemble dem Meister in Bayern seine Aufwartung macht. „Hut ab”, sagt Skibbe schon mal Freitag in Mönchengladbach, „München ist die Ausnahmemannschaft schlechthin. Da wird es für uns nicht mal mit der Leistung unserer zweiten Halbzeit gegen Frankfurt reichen.” In Leverkusen bleibt Dick-Brett-Bohren angesagt.


    Quelle: Hauptsport der Rheinischen Post vom heutigen Tage.

    Tanz auf der Klinge geht weiter


    Natürlich war das ein Akt der Befreiung. Um das zu gewärtigen, reicht ein scheuer Blick auf das Klassement in der Bundesliga. Nach Duisburgs Sieg in Stuttgart wären es bei einer (durchaus drohenden) Niederlage der Leverkusener gegen Frankfurt nur noch schlappe vier Punkte auf einen Abstiegsrang gewesen. Und abseits aller rechnerischen Darstellungen ließ sich vor allem die Freude der Fans über den zweiten Sieg in der noch kurzen Skibbe-Ära verstehen nach dem Motto „Bayer ist wieder da, halleluhujaa”. Dass die Anhänger 45 Minuten vorher die Mannschaft und die zu Recht angefeindeten Leverkusener Oberen am liebsten aus dem Haus gejagt hätten, macht da gar nichts. Stimmungen unter der Masse der Kunden sind schließlich schnell wandelbar. Ob allerdings eine nachhaltige Veränderung im Ensemble zu bewirken sein wird, ist mehr als fraglich. Die Zweifel daran sind seit Samstag jedenfalls nicht geringer geworden, weil grundsätzliche Probleme in der Personalführung (unter anderem die Haltung bei Vertragsverhandlungen mit Butt und Fritz, das saure Anbieten von Krzynowek, Verkaufsgespräche wegen Berbatov und die Überbesetzung auf der linken Seite) nicht oder nur zögerlich ausgeräumt werden. Erschreckend häufige taktische Verirrungen bei der Formierung des Mittelfeldes tun ihr Übriges. Neuen Stoff bietet die Verpflichtung von Stenman, weil der Schwede ungeachtet der Nervosität eines Debütanten nun nicht gerade den Eindruck machte, als könne er der Pfeiler sein, den Bayers brüchige Abwehr benötigt, und ein Dampfmacher schon gar nicht. Der Sieg gegen Frankfurt hat allen Handelnden bei Bayer etwas Druck genommen. Die nicht so gewagte Prognose aber lautet: Der Tanz auf der Klinge geht weiter.
    UDO BONNEKOH



    Quelle: Rheinische Post vom heutigen Tage