Rudi Völler
"Den Italienern kommen vor Neid die Tränen"
Nach dem fünften Platz in der vergangenen Saison hat Bayer Leverkusen seinen Kader mit Bundesliga-Torschützenkönig Theofanis Gekas, Nationalverteidiger Manuel Friedrich und das chilenische Talent Arturo Vidal verstärkt. Vor dem Pokalspiel beim FC St. Pauli sprach WELT ONLINE mit Sportdirektor Rudi Völler über Schmerzensgeld, Bayers Image und den größten Vorteil der Fußball-Bundesliga.
WELT ONLINE: Herr Völler, den FC St. Pauli sehen Sie heute sicher nicht als großen Stolperstein, oder?
Rudi Völler: Für uns kann es nur darum gehen, weiterzukommen. Aber es wird schwer, zumal wir um die Pokal-Historie von St. Pauli wissen, die schon die Bayern oder Bremen rausgeworfen haben.
WELT ONLINE: Was erwarten Sie im Hinblick auf die neue Bundesligasaison von Ihrem Team?
Völler: Wir haben in der Pause einen großen Umbruch gehabt, da wir acht Spieler abgegeben und acht neue geholt haben. Nun haben wir eine sehr junge, talentierte Mannschaft, gespickt mit Routiniers wie Carsten Ramelow oder Bernd Schneider. Ich denke, dass wir eine gute Rolle spielen können. Wir werden jedenfalls nicht die Nerven verlieren, sollte es mal nicht so gut laufen.
WELT ONLINE: Der Druck dürfte dennoch größer sein als sonst, da Sie mit rund 13 Millionen Euro so viel investiert haben wie schon lange nicht.
Völler: Die Rechnung haut ja nicht ganz hin, da wir immerhin auch acht Millionen eingenommen haben. Aber uns ist bewusst, dass die Erwartungshaltung eine andere sein wird, da wir nach einer Zeit der Konsolidierung diesmal mehr getan haben.
WELT ONLINE: Der ehemalige Nationalspieler und Kolumnist Mario Basler hat Ihnen ein schlechtes Zeugnis ausgestellt und die Einkaufspolitik teilweise kritisiert.
Völler: Vielleicht sollten sich einige in Deutschland mal selbst ein Bild davon machen, was hier gerade passiert. Es herrscht Aufbruchstimmung, und wir werden von vielen Seiten für das gelobt, was wir getan haben. Nationalspieler wie Lukas Sinkiewicz, Manuel Friedrich, Theofanis Gekas oder Vidal kriegst du nicht einfach mal so im Vorbeigehen.
WELT ONLINE: Wie haben Sie es geschafft?
Völler: Es funktioniert hier jedenfalls nicht mehr so, wie vor 10, 15 Jahren, als man den Spielern teilweise ein Schmerzensgeld zahlen musste, damit sie zu Bayer kommen. Heute wechseln die Spieler zu uns, weil sie spüren, dass hier etwas heranwächst.
WELT ONLINE: Aber wenn von Bayer 04 die Rede ist, dann oftmals auch von der „grauen Maus“.
Völler: Natürlich haben wir nicht die Fan-Massen wie manch ein anderer Verein. Aber im Zuge des Transfers von Vidal habe ich bei Gesprächen in Chile erst wieder gemerkt, was sich Bayer 04 in den vergangenen zehn Jahren für einen Namen gemacht hat. Die Leute wissen, dass Spieler wie Ballack, Lucio, Emerson oder Ze Roberto bei uns eine große Karriere gestartet haben. Es gibt so viele deutsche Vereine, die meinen, sie seien ein Traditionsverein. Aber wenn du außerhalb von Deutschland bist, kennt die keiner mehr. Da ist unser Bekanntheitsgrad weitaus größer.
WELT ONLINE: Dann müssten Sponsoren doch eigentlich Schlange stehen. Bislang ist die Brust von Bayer 04 aber noch frei.
Völler: Wir wissen, was wir uns wert sind. Deshalb dauert es etwas länger. Aber es sieht so aus, als würde bis Ende nächster Woche etwas passieren.
WELT ONLINE: Haben Sie eine Erklärung für den Boom der Bundesliga? Denn ob die Qualität besser wird, muss sich noch zeigen.
Völler: Für viele geht es gar nicht mehr darum, ob du gewinnst oder verlierst – es geht darum, dabei zu sein. Und das liegt an den Stadien, die die Menschen anziehen und die Begeisterung wecken. Vereine wie Köln, Schalke oder Bayern haben vor wenigen Jahren teilweise noch vor halbleeren Rängen in Arenen mit Tartanbahnen gespielt. Die Stadien sind unser Pfund. Bei unserem Test gegen den AS Rom saßen die Verantwortlichen der Italiener neidisch bei mir im Büro. Die haben ein riesiges Zuschauerproblem, weil ihre Stadien veraltet sind und nicht einladend. Denen kommen fast die Tränen, wenn die sehen, was bei uns los ist.
WELT ONLINE: Viele Fans richten in diesem Jahr den Blick nach München, wo der FC Bayern fast 70 Millionen Euro investiert hat. Werden sie so dominant sein, wie es die meisten erwarten?
Völler: Für viele Experten geht es ja wirklich nur noch darum, wer Zweiter hinter den Bayern wird – und das auch noch, mit wie viel Abstand. Aber es ist ja wirklich so, dass der Klub immer dann ganz gefährlich wird, wenn er mal ein schlechtes Jahr hatte. Das hatten sie, was letztlich auch der größte Pfund für den VfB Stuttgart war. Doch nun wird es wieder einige Jahre dauern, bis die Bayern sich so einen Aussetzer leisten. Ich sage immer: Wer bei diesem Klub einen Fünf-Jahres-Vertrag unterschreibt, wird dreimal Meister – ob du willst oder nicht.
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