Kölns neuer Trainer Christoph Daum gibt sich an seinem ersten Arbeitstag gewohnt größenwahnsinnig
Daniel Theweleit
Eigentlich spielt der 1. FC Köln nur in der zweiten Liga. Aber das Brimborium am Montag war schon mal erstklassig. Förmlich Volksfeststimmung herrschte beim ersten Training des neuen Coaches Christoph Daum. Begleitet von zahlreichen Kameras und der erstaunlichen Kulisse von rund 8 000 Zuschauern nahm der mit Sprechchören gefeierte 53-Jährige offiziell seine Arbeit beim Traditionsverein auf. "Ich stelle mich nicht auf den Feldherrenhügel, sondern bin Teamarbeiter. Fußball ist kein Hokuspokus, sondern ein seriöses Geschäft", sagte der Hoffnungsträger offenbar mit Blick auf den Personenkult der letzten Tage.
Inzwischen gehört es zu den rheinischen Tugenden, den 1. FC Köln ungeachtet aller tabellarischen Fakten in die Phalanx des großen Spitzenfußballs hinein zu fantasieren. Daum mischte dem verzerrten Selbstbild einen neuen Farbton bei. Galten die Kölner in den 60er und 70er Jahren als "Real Madrid vom Rhein", sind sie nun "Juventus Turin vom Dom". Mit diesem Vergleich eröffnete der neue Trainer die Pressekonferenz an seinem ersten Arbeitstag. Die Tatsache, dass in Turin Weltklasseleute wie Gianluigi Buffon oder Alessandro del Piero im Unterhaus spielen, habe dazu beigetragen, dass er sich nach seiner Absage doch noch anders entschieden habe, erläuterte er. In dem Vergleich mit den Italienern schwinge "vielleicht ein bisschen Selbstlob" mit, gab Christoph Daum zu, aber Bescheidenheit gehört eben nicht zu seinen Stärken.
Der 53-Jährige hat seinen Mangel an kritischer Selbstreflexion sogar kultiviert. Wie selbstverständlich nahm er zur Kenntnis, dass seine Antrittspressekonferenz bei einem Zweitligisten von drei Fernsehsendern live übertragen wurde. Wahrscheinlich ist die Tatsache, dass er über eine Art konstruktiven Größenwahn verfügt wie sonst nur Franz Beckenbauer, sogar eines seiner Erfolgsgeheimnisse. Als müsse man nur ein paar Hebel betätigen, hat er in seinen Ansprachen vor dem 2:1-Sieg bei Greuther Fürth, "erstmal etwas an der Kampfbereitschaft und am Selbstvertrauen gemacht", sagte Daum. Und natürlich hat es funktioniert.
In seinen ersten Gesprächen, so berichtete Daum, hätten die Spieler "mit offenen Augen und Ohren" da gesessen, um seine Botschaften in Empfang zu nehmen. Gleichwohl betreibe er aber keine Zauberei, "jetzt geht es darum, die Ärmel hochzukrempeln". Auch zu den Medien wollte er offenbar gleich guten Kontakt herstellen. Die meisten Trainer, die nach Köln kommen, bringen eine gewisse Furcht vor den Zeitungen mit, Daum aber sagte nur gelassen: "Welche Schlagzeilen sollen mich noch beunruhigen?"
Berliner Zeitung, 28.11.2006