Vergleicht man Spielsituationen auf dem Feld mit ähnlichen Ereignissen vor 10 Jahren, oder, wer kann, auch mit solchen vor 20 oder 30 Jahren, so zeichnet sich ein enormer Kontrast. Wurde vor gut einem Jahrzehnt in allen Medien und tagelang über typische Robben(an)fälle debattiert, so stehen diese heut im Regelwerk. Fast wie ein umgeschriebener bekannter Werbeslogan (Die zarteste Berührung…). Dies ist schon erstaunlich. Um den Videoschiedsrichter selbst zumindest ansatzweise zu verstehen, muss man womöglich einen Blick auf die Historie werfen: Die Einführung des VAR hat zunächst einmal eine enorme Menge an Emotionen erzeugt und sie im Zuge dessen an anderer Stelle verschwinden lassen. Das sind die Nachwirkungen, die wir aktuell Woche für Woche erleben. Im Vorfeld der Einführung, in den Jahren zuvor, hat sich ein Großteil der Fussballliebenden für die Einführung ausgesprochen, es waren nicht alle pro VAR eingestellt, dennoch wollte die überwiegende Mehrheit dem Ganzen eine Chance geben und dies aus ganz individuellen Gründen, um dem Fussball mehr Gerechtigkeit, Fairness, Sauberkeit etc. zu verleihen. Die Ideen diesbzgl. entfachtensich im Grunde mit dem Wembley-Tor. Das man das Rad nun neu erfinden wollte, war zu diesem Zeitpunkt nicht zu erahnen. „Wenn der Schiedsrichter auf dem Feld die Szene noch einmal sehen würde, wäre seine Entscheidung ganz sicher anders ausgefallen“, war vielfach zu hören und so dachte man, das kann sich nur in positive Bahnen entwickeln. Als nach Einführung des VAR die Entscheidungen - trotz Videostudium - genauso wie zuvor ausfielen, sich die Entscheidungen auf dem Feld folglich nicht den Vorstellungen der Zuschauer anpassten, änderte sich die Meinung dergestalt, dass „wenn die Schiedsrichter genauso entscheiden, na dann können wir es auch lassen.“ Eine gute Saison lang dauerte es, um dem gemeinen Fan zu verdeutlichen, dass nicht die Entscheidungen der Schiedsrichter die eigentliche Herausforderung darstellen, sondern die Regelauslegung und der Zuschauer womöglich über Jahre Schwierigkeiten mit dem Verständnis hinsichtlich des Reglements aufwies. Das zu bewältigende Problem wurde von Spieltag zu Spieltag größer, dies war zunächst ein herber Schlag für alle Beteiligten und so brauchte es eine enorme Energieaufwendung, um einzelne Komponenten von einander zu extrahieren. Die Schiedsrichter versuchten nun ihrerseits die Regeln klarer in die Öffentlichkeit zu tragen und für den Fan greifbarer zu machen. Dies scheint allerdings bis zum heutigen Tage wirksam und ein tatsächliches Ende scheint nicht in Sicht. Hinzu kommen die diversen Vorgehensweisen, d. h., die individuellen Aspekte eines einzelnen Schiedsrichters bzgl. seiner ersten sowie zweiten Entscheidung, d. h., ob er bspw. mit oder ohne Videobilder vorgeht und wie viel Kraft es für ihn und seine Überzeugung benötigt. Des Weiteren spielt die methodische Umsetzung des VAR hinsichtlich Fragen zu zeitliche Latenz, Verzögerung des Spiels selbst, Häufigkeit des Einsatzes usw. eine Rolle. Hinzu kommen die Unklarheiten, wann der VAR sich einschalten sollte und wann er sich schweigend verhält, und auch dies wurde durch den Versuch der Transparenzerhöhung bisher nicht für jeden Fan bewerkstelligt. Zwischenzeitlich bekamen Zuschauer das Gefühl, der VAR entscheidend mehr und der Schiedsrichter auf dem Platz nimmt sich mehr und mehr aus der Verantwortung heraus. Und all dies wird abgerundet von den herausstechenden Debatten um die Auslegung des Reglements - in Perfektion der Handregel -selbst. Und so bleibt uns nur zu versuchen, die Komponenten herauszufinden, wo wir in einzelnen Szenen die Hauptbaustelle zu vermuten glauben, wenn wir ein gewisses Handling erreichen und unseren Fussball sowie die damit verbundenen Freude ein Stück weit erhalten wollen.
1. Schiedsrichter auf dem Feld (erste Entscheidung)
2. Fußballregeln bzw. deren Auslegung
3. Methodische Umsetzung des VAR
4. Video-Assistent (Entscheidung am Monitor)
5. Schiedsrichter auf dem Feld (zweite Entscheidung nach Betrachtung der Videobilder)
Bezüglich der Regeln scheint der Fußball in den vergangenen Jahren im Gesamten Ähnliches zu verzeichnen, wie aus anderen Sportarten bekannt, sprich weniger körperbetont, technischer und für die Zuschauer künstlicher und angeblich greifbarer. Das Greifbare scheint sich auf perfide Art in der Handregel wiederzufinden...