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    „Den schickst du in den ersten zehn Minuten gleich dreimal auf die Aschenbahn“


    kicker: Welches Spiel aus der Vergangenheit möchten Sie gerne noch einmal spielen, Herr Völler?


    Rudi Völler (49): Das WM-Finale 2002! Und zwar mit Michael Ballack. Der war bei unserem 0:2 gegen Brasilien bekanntlich gelbgesperrt. Es gibt keine Garantie, dass wir mit Michael Weltmeister geworden wären, aber die Wahrscheinlichkeit einer Überraschung wäre sicher größer gewesen. Michael hatte eine Top-Saison hinter sich, war der torgefährlichste Mittelfeldspieler der Welt und hatte eine herausragende Gabe: das wichtige 1:0 zu erzielen.


    kicker: An welches Spiel erinnern Sie sich am liebsten?


    Völler: Ganz klar, an unseren WM-Sieg gegen Argentinien 1990 in Rom. Schon als kleiner Junge träumst du davon, und dann bist du’s wirklich. Und Weltmeister bleibst du ein Leben lang. Es war einfach fantastisch. Und das in Italien, in Rom, in meiner Stadt, in meinem Stadion.


    kicker: War das im Fußball auch Ihr emotionalster Moment?


    Völler: Diese letzten fünf Minuten des WM-Finals – ja, eindeutig! Wir führten 1:0, waren zwei Mann mehr, und mir war klar: Da brennt jetzt nichts mehr an. Weltmeister! Du bist es! Ich habe diese Minuten total genossen.


    kicker: Was haben Sie eigentlich Frank Rijkaard getan, bevor er Sie im WM-Achtelfinale 1990 bespuckte?


    Völler: Die Deutschland-Holland- Nummer kochte in dieser Zeit auf dem Siedepunkt. Ich habe Rijkaards Reaktion nicht verstanden. Er war damals beim AC Mailand und wir hatten ein gutes Verhältnis. Bei Milan spielte er übrigens im defensiven Mittelfeld. Ich habe es immer als großes Kompliment gewertet, dass der holländische Bondscoach ihn extra für mich als Verteidiger abstellte.


    kicker: Sie haben später mit ihm darüber geredet.


    Völler: Ja, mit Frank habe ich mich über diese Aktion längst ausgesprochen. Es war damals eben eine hochangespannte Situation und zudem hatte er noch diverse private Probleme. Vergessen! Viel mehr aufgeregt hat mich, dass dieser argentinische Schiedsrichter auch mich vom Platz gestellt hat. Ich hatte überhaupt nichts gemacht und der hatte überhaupt nichts gesehen. Das war furchtbar für mich. Da fliegst du nach 21 Minuten vom Platz, weißt nicht warum, wirst ein Spiel gesperrt und kommst aus deinem Spielrhythmus.


    kicker: Von welchem Trainer haben Sie in Ihrer Karriere am meisten profitiert?


    Völler: Als Jugendlicher in Offenbach sicher von Hermann Nuber, in Bremen später von Otto Rehhagel. Insgesamt hatte ich mit allen meinen Trainern ein sehr gutes Verhältnis.


    kicker: Hatten Sie ein Vorbild?


    Völler: Als Stürmer ragte damals natürlich Gerd Müller, der Bomber der Nation, heraus. Obwohl ich ein völlig anderer Stürmertyp war.


    kicker: Wer war der beste Stürmer aller Zeiten – außer Rudi Völler?


    Völler: Pelé, van Basten und natürlich Gerd Müller.


    kicker: Sie waren ein schneller und gefährlicher Stürmer. Vor welchem Gegenspieler hatten Sie den größten Respekt?


    Völler: Wenn du gegen Karlheinz Förster gespielt hast, tat das gelegentlich schon weh. Früher wurden wir Stürmer ja bei weitem nicht so geschützt wie die Jungs heute. In meiner Anfangszeit in Offenbach hatte sich schnell rumgesprochen „der Völler ist verdammt schnell“. Da sagten die Trainer schon mal zu ihren Verteidigern: „Den schickst du in den ersten zehn Minuten gleich dreimal auf die Aschenbahn.“ Tatsache ist, dass ich damals häufig in einem Spiel Fouls eingesteckt habe, die heute für drei Rote Karten reichen würden.


    kicker: Sie haben mit vielen exzellenten Fußballern gespielt. Wer war der Beste?


    Völler: Ich habe mit sehr vielen sehr guten Kollegen spielen dürfen. In der Nationalelf habe ich besonders mit Jürgen Klinsmann harmoniert.


    kicker: Ihr Job war es, Tore zu machen. Wer war denn der beste Torhüter?


    Völler: Toni Schumacher war zu meiner Zeit sicher herausragend. Besonders beeindruckt hat mich aber auch René Müller, der Nationaltorhüter der DDR von Lok Leipzig. Er war seiner Zeit voraus, schon damals ein mitspielender Keeper. Da ich während meiner Bremer Zeit DDR-Fernsehen schauen konnte – ab und zu habe ich sogar den „Schwarzen Kanal“ des legendären Karl-Eduard von Schnitzler verfolgt und geschmunzelt – war ich über den Fußball da drüben ganz gut informiert.


    kicker: Bayern Münchens Klaus Augenthaler hat Sie im November 1985 böse niedergestreckt. Wie ist Ihr Verhältnis zu ihm heute?


    Völler: Gut. Klar, es war ein Foul der etwas härteren Sorte. Und es war in der Zeit, als die Rivalität zwischen Werder und Bayern auf dem Höhepunkt war. Aber es war keine Absicht, und unser Verhältnis ist schon seit langem wieder gut.


    kicker: Sie haben in Ihrer Karriere sehr viele Erfolge gefeiert. Was war Ihr bitterster Moment?


    Völler: Als Spieler zweifellos das 0:0 mit Bremen 1986 gegen die Bayern am vorletzten Spieltag, als mein bester Spezi Michael Kutzop zwei Minuten vor Schluss den Elfer an den Pfosten setzte. 33 Spieltage waren wir vorne gewesen und am letzten Spieltag wurden dann die Bayern Meister. Das war bitter. Als Sportdirektor war das 0:2 mit Leverkusen 2000 in Unterhaching natürlich grausam. Wir hätten nur einen Punkt gebraucht – und am Ende waren wieder die Bayern Meister.


    kicker: Immer diese Bayern . . . War ein Wechsel zum FCB eigentlich nie ein Thema?


    Völler: Nein, zu meiner aktiven Zeit spielten die besten Fußballer der Welt in Italien – und da wollte auch ich hin.


    kicker: Aber Sie hätten vor kurzem auch Nachfolger von Uli Hoeneß als Manager bei den Bayern werden können.


    Völler: Es ist bekannt, dass es Kontakte zu Uli Hoeneß gab. Aber die Sache war schnell vom Tisch, ganz einfach weil ich mich mit Bayer Leverkusen nach diesen vielen Jahren eng verbunden fühle.


    kicker: Mit Werder waren Sie dreimal Zweiter. Wie sehr ärgert es Sie eigentlich, dass Sie nie Meister geworden sind?


    Völler: Auf diese Frage gebe ich jedes Mal meine Lieblingsantwort: Ich habe eben nur die ganz wichtigen Titel geholt. Weltmeister, Champions League . . .




    Quelle: kicker-Printausgabe vom 25.01.10


    Teil 2 folgt...

    LEVERKUSEN: Helmes traf viermal im Testspiel


    Um den prominenten „Nachzüglern“ Simon Rolfes (28), Renato Augusto (21) und Patrick Helmes (25) dringend benötigte Spielpraxis zu verschaffen, trat eine um dieses Trio verstärkte Bayer-Nachwuchstruppe (mit dem erst 16-jährigen U-17-Nationalspieler Danny da Costa in der Innenverteidigung!) gestern am Aachener Tivoli an und siegte locker-flockig mit 6:1 gegen den (ebenfalls ersatzgeschwächten) Zweitligisten. Helmes zeigte sich dabei in glänzender Spiellaune und erzielte vier Treffer!


    Wie auch immer – der Ausgang der Partie hatte ebenso wenig wie die individuelle Leistung der Hauptdarsteller einen Einfluss auf die Planungen für das Spiel in Hoffenheim. „Die Mannschaft steht“, sagt Jupp Heynckes (64), der Trainer sieht keinen Anlass, etwas zu ändern. Wer nach der Partie gegen Mainz Rechtsverteidiger Daniel Schwaab (21) als Wackelkandidaten einstufte, bekam von Heynckes ein klares Nein zu hören: „Daniel ist guter Junge. Er muss sicherlich noch viel lernen. Aber gerade ihm sage ich in jedem Training, er soll sich mehr zutrauen. Er schöpft sein Potenzial noch gar nicht aus, ist mir mitunter noch zu zurückhaltend.“


    Schwaab, so spekulierten Beobachter, hätte draußen gesessen, wenn Rolfes für die Startelf nominiert worden wäre. Der Chilene Arturo Vidal (22) wäre in diesem Fall auf die rechte Defensivseite gerückt, wie schon häufiger in dieser Saison, wenn Schwaab vorzeitig gehen musste – wie in den vergangenen drei Spielen.


    Planspiele, mehr nicht! Es bleibt alles beim Alten. Das bedeutet auch für die Offensivspieler Renato Augusto und Patrick Helmes ein weiteres Spiel auf der Bank und Warten auf die Einwechslung. „Es ist ein weiter Weg“, beruhigt Heynckes die Spieler. Helmes, der Stürmer, wird sich wohl gedulden müssen, bis Bayer mal klar führt. Denn Heynckes wechselt bei knappen Spielständen ungern kopfballstarke Akteure wie Stefan Kießling (1,90 Meter) oder Eren Derdiyok (1,90 Meter) aus. Der Trainer erklärt: „Patrick muss berücksichtigen, dass wir anders spielen, die Stürmer mehr für die Defensive tun müssen.“ Er will Kopfballstärke hinten und vorne, gerade bei Standards sei dies ein Trumpf. 18 Tore erzielte Bayer nach ruhenden Bällen – das ist Ligaspitze, mit insgesamt sieben Kopfballtoren liegt Bayer auf Rang drei. Heynckes weiß, warum er diese Stärke pflegt: „Die Bremer sind mit Kopfballspezialisten wie Neubarth, Bratseth oder Riedle Meister geworden.“ Ob es das ist, was er will?
    FRANK LUßEM




    Quelle: kicker-Printausgabe vom 21.01.10

    Helmes nervt die späte Einwechslung − Heynckes mit Verständnis


    Gäbe es eine Hitliste der Fragen, die Spielern, Trainern und Verantwortlichen von Bayer immer und immer wieder gestellt werden, stünden drei Fragen auf ganz vorn. „Wann bricht Bayer ein?“ und „Gibt es eine Chance, Toni Kroos zu halten?“ sowie: „Was passiert, wenn Rolfes, Helmes und Renato Augusto noch länger auf der Bank sitzen?“


    Rudi Völler hakt eins und zwei schnell ab: „Wir brechen nicht ein. Und was mit Toni passiert, liegt nicht in unserer Hand.“ Ihn nerven die Fragen nicht: „Viel schlimmer wäre es, wenn man fragen würde, warum wir wieder einbrechen. Oder warum Kroos nicht spielt.“ Die dritte Frage der Hitliste ohne Rangfolge scheint allerdings seit Samstag etwas brisanter. Zu deutlich machte Stürmer Patrick Helmes (25), dass ihm wenig an einer Einwechslung in der Schlussminute gelegen war. Jupp Heynckes (64) musste ihn mit Nachdruck auffordern, sich zu beeilen. Am Sonntag nahm der Trainer Luft aus der Sache: „Er hat da wohl nicht die große Lust gehabt. Aber Patrick muss Geduld haben. Körperliche Fitness nach langer Pause bedeutet nicht, matchfit zu sein. Aber das hängen wir nicht hoch.“


    Wichtiger sei der richtige Aufbau. Geht der in Ruhe über die Bühne, „dann“, da ist sich Heynckes ganz sicher, „dann werden wir noch stärker als wir momentan sind!“ Man darf gespannt sein.



    PERSONALIEN
    BAYER LEVERKUSEN


    Renato Augusto (20, muskuläre Probleme) pausierte am Sonntag , soll am Dienstag wieder das Training aufnehmen. + + + Tranquillo Barnetta (24, Leistenprobleme) wurde gegen Mainz (4:2) ausgewechselt und setzte am Sonntag aus.




    Quelle: kicker-Printausgabe vom 18.01.10

    LEVERKUSEN: Mannschaft dreht zum dritten Mal einen Rückstand


    Entspannt saß Eren Derdiyok (21) am vergangenen Freitag vor dem Fernseher und verfolgte interessiert das Spiel des FC Bayern München gegen die TSG Hoffenheim. Er registrierte wohl den 2:0-Sieg des Rekordmeisters, nicht aber, dass die Bayern dadurch für rund 19 Stunden Tabellenführer wurden: „Das war mir nicht bewusst“, lachte der Schweizer am Samstag nach der Partie gegen Mainz und fügte verschmitzt an: „War auch nicht so wichtig, wir haben es ja direkt korrigiert.“


    Derdiyoks Chef Rudi Völler (49) teilt die Entspannung mit dem Profi. Dass die Münchener gegen dezimierte Hoffenheimer daheim gewonnen hätten, sei keine Überraschung gewesen. Und Bayers Sieg gegen Mainz ebensowenig. Völler: „Weil wir, im Gegensatz zur vergangenen Saison, jetzt in der Lage sind, Rückstände drehen zu können.“


    Seinerzeit gelang es kein einziges Mal, gegen Mainz bereits zum dritten Mal und so wurde die Serie der Spiele ausgebaut, aus denen Bayer nicht als Verlierer ging: 18-mal hintereinander gelang dies in genauso vielen Spielen – der Respekt der gesamten Liga ist der Werkself sicher.


    „Disziplin und Leistungsbereitschaft“ sieht Angreifer Eren Derdiyok als Hauptgründe für diese verblüffende Kontinuität, dazu das perfekte Zusammenspiel zwischen Trainer und Mannschaft: „Sie zeigen uns den Weg, wir setzen es um.“ Häufig, nicht immer! „Nach der Pause haben wir nicht zu hundert Prozent wie Bayer gespielt“, analysierte Derdiyok, „das war okay, aber eben nicht hundert Prozent.“ Die wurden nach dem 0:1 geboten, als die Leverkusener sich aufrafften und den Gegner in Grund und Boden spielten. „Da haben wir versäumt, das 4:1 zu erzielen und mussten uns nachher noch mal sputen“, kritisierte Trainer Jupp Heynckes (64), sprach dies auch am Sonntag in der Mannschaftsbesprechung an: „Ihr müsst lernen, den Sack zuzumachen.“ Gleichwohl sah der Trainer „einen hochverdienten Sieg“. Einen, der Bayer an der Tabellenspitze hielt. Was aber, schenkt man den Protagonisten Glauben, so wichtig nicht ist. „Viel wichtiger“, so Rudi Völler, „sind zehn Punkte Vorsprung auf Platz sechs.“ Und Angreifer Stefan Kießling (25) ergänzt: „Dieses Polster nimmt uns viel Druck. Und wenn wir es ausbauen, dann können wir irgendwann andere Ziele anstreben. Aber nur dann.“




    NACHGEFRAGT
    „Wir haben sehr gut reagiert“


    kicker: Restlos zufrieden mit dem Auftakt, Herr Kroos?
    Toni Kroos (20): Restlos sicher nicht. Nach der Pause haben wir es uns unnötig schwer gemacht. Andererseits aber haben wir nach dem Anschlusstor sehr gut reagiert und die Partie dann entschieden.
    kicker: Sie knüpften an Ihre Leistungen vor der Winterpause an ...
    Kroos: Warum nicht? Es gab keinen Grund, sich zurückzulehnen.
    kicker: Die Bayern legten am Freitag vor, Bayer zog nach. Wird es ein Zweikampf zwischen „Ihren“ Klubs?
    Kroos: Die Bayern sind der direkte Konkurrent. Aber sicherlich nicht der einzige. Es bleibt spannend da oben!




    Quelle. kicker-Printausgabe vom 18.01.10

    Leverkusen: Heynckes und die große „Außenseiterchance“


    SAISONZIEL
    Platz fünf (Qualifikation für einen internationalen Wettbewerb)


    AKTUELLE PLATZIERUNG
    1. Platz 35 Punkte


    DAS MUSS BESSER WERDEN
    Große Problemzonen sind beim Herbstmeister nicht zu finden. Wer ungeschlagen die Hinrunde übersteht, dabei defensiv kompakt auftritt, mit 13 Gegentreffern die beste Defensivabteilung stellt, in der Rückwärtsbewegung fast durchweg diszipliniert spielt und mit schnellem Kombinationsfußball sowohl für spielerische Highlights als auch ein effektives Angriffspiel sorgt, das sich in 35 Torerfolgen (Liga-Bestwert) niederschlägt, hat einfach vieles richtig gemacht. Auch bei Standardsituationen ist die Elf von Jupp Heynckes besonders offensiv stark. Selbst langfristige Ausfälle von Leistungsträgern kann die Mannschaft wegstecken – einzig Abwehrchef Sami Hyypiä ist kaum zu ersetzen. Ohne den Finnen wackelte die Viererkette wie beim Pokal-Aus in Kaiserslautern und nach Hyypiäs verletzungsbedingter Auswechslung auf Schalke (2:2 nach 2:0-Führung). Von dem Routinier hängt Bayers Stabilität extrem ab – vielleicht die einzige Schwachstelle.


    PERSONAL
    Eingekauft hat Bayer im Winter nicht, dennoch stehen Heynckes vier hochkarätige „Neue“ zur Verfügung: die langzeitverletzten Michal Kadlec (linker Verteidiger), Simon Rolfes (defensives Mittelfeld), Renato Augusto (offensive Außenbahn) und Patrick Helmes (Angriff). Sind alle topfit, verfügt Bayers Trainer über eine immense Auswahl qualitativ hochwertiger Spieler, was für starken Konkurrenzkampf in allen Mannschaftsteilen sorgt. Einzig nennenswerter Abgang ist Joker Theofanis Gekas (nach Berlin). Zudem wurde Pierre de Wit nach Kaiserslautern abgegeben, Talent Richard Sukuta-Pasu an den FC St. Pauli ausgeliehen.

    PROGNOSE

    Glückt der Start und überwindet man so das Rückrunden-Absturz-Syndrom, spielt Bayer bis zum Ende zumindest mit guten „Außenseiter“-Chancen um den Titel.
    STEPHAN VON NOCKS




    Quelle: kicker-Printausgabe vom 14.01.10

    LEVERKUSEN: Trainer Heynckes kontert die Kampfansage von Bayern-Präsident Hoeneß


    Das Thema schmeckt Jupp Heynckes nicht. Mit einem Rückrunden-Absturz, wie ihn Bayer im Vorjahr unter Bruno Labbadia erlebte, befasst sich der Trainer nicht. „Warum auch? Wir haben fünf andere Spieler dabei. Die Mannschaft spielt auf einem ganz hohen Niveau.“ Das zeigt sich auch darin, dass von den vier lange verletzten Stammkräften einzig Michal Kadlec (25) gegen Mainz in die Elf rutscht – und das nur, weil Gonzalo Castro (Jochbeinbruch) ausfällt.


    Der linke Verteidiger stuft die Partie als „wegweisend“ ein. Kadlec, dem nach Syndesmoseanriss noch der Spielrhythmus fehlt, erklärt zum Saisonziel: „Man hat gesehen, wie schnell es gehen kann. Hoffenheim war vergangene Saison Herbstmeister und am Ende wie wir nicht international dabei.“ Doch er sagt auch: „ Wenn wir nur in die Europa League kämen, wäre das nicht schlimm, aber schon eine kleine Enttäuschung!“ Verständlich bei der Qualität. „Ich habe noch nie einen so starken Kader erlebt“, urteilt Kadlec. Während er kampflos seinen Platz zurückerobert hat, will Stefan Reinartz seinen verteidigen. Als Vertreter von Kapitän Simon Rolfes wird er im defensiven Mittelfeld auflaufen. Sein achter Startelfeinsatz in Serie. Es soll nach Rolfes’ Rückkehr nicht der letzte sein. „Ich weiß nicht, wie weit das von Simon abhängt. Ich glaube nicht, dass es die Situation geben wird, dass alle fit sind. Wenn ich meine Leistung bringe, werde ich auch einen Platz in der Elf finden.“


    Gut möglich, denn Heynckes schwärmt vom 21-Jährigen. „Er hat alles, was ein Top-Spieler braucht, Es ist enorm, wie bei Toni Kroos, dass er in jungen Jahren sehr aufnahmefähig ist und es auf hohem Niveau umsetzt. Ungewöhnlich!“ Im Gegensatz zu der Kampfansage, die Bayern-Präsident Uli Hoeneß („Wir stehen bald wieder oben“) formulierte. Heynckes’ Konter: „Die eine Sache ist es, das verbal zu kommunizieren. Die andere, das auch sportlich umzusetzen. Da haben einige Vereine etwas dagegen – wir auch! Ich weiß, was mein Freund Uli damit bezweckt. Aber ich bin ausgeschlafen.“ Den ersten Münchner Angriff hat Heynckes bereits pariert.
    STEPHAN VON NOCKS



    GEWINNER & VERLIERER


    GEWINNER: Stefan Reinartz (21)
    Verlor nach der Genesung von Kapitän Simon Rolfes nicht automatisch seinen Platz, bleibt bei Trainer Heynckes hoch im Kurs.


    VERLIERER: Gonzalo Castro (22)
    Der Außenverteidiger verpasst verletzt die ersten Spiele und damit ein paar Möglichkeiten, sich für ein WM-Ticket zu empfehlen.




    Quelle: kicker-Printausgabe vom 14.01.10

    Zum Rückrundenstart beurteilen die Kapitäne der heißen Meisterschaftsfavoriten LEVERKUSEN, SCHALKE und FC BAYERN die Situation im Titelrennen.


    HERBSTMEISTER LEVERKUSEN: Simon Rolfes


    kicker: Herr Rolfes, vergangene Saison stürzte Bayer nach starker Hinrunde ab. Droht dies erneut?


    Kapitän Simon Rolfes (27): Nein. Das war nur im vergangenen Jahr so. Jetzt haben wir eine ganz andere Spielweise. Wir stellen die beste Defensive. Das ist komplett anders und die Grundlage, über die ganze Saison oben bleiben zu können.


    kicker: Kann für den Herbstmeister Platz fünf noch das Ziel sein?


    Rolfes: An der grundsätzlichen Zielsetzung ändert sich nichts: Wir haben zweimal den internationalen Wettbewerb verpasst. Da müssen wir rein, aber wir wollen auch um Platz eins richtig kämpfen, ihn jeden Spieltag verteidigen.


    kicker: Wer ist der größte Konkurrent um den Titel?


    Rolfes: Alle. Auch Bremen sehe ich als Sechsten noch ganz stark. Für die ersten sechs ist vieles möglich. Wolfsburg hat das gezeigt.


    kicker: Bayer kann sich auf die Liga konzentrieren. Ein Vorteil?


    Rolfes: Vergangenes Jahr war es ein Trugschluss, dass es ein Vorteil ist, nicht auch im Europapokal zu spielen. Manchmal ist es für einen Verein sogar ein Vorteil, wenn er international spielt. Für uns war es in der Hinrunde aber so ein Vorteil, weil wir unsere Ausfälle besser kompensieren konnten.


    kicker: Was ist Bayers Plus im Titelkampf?


    Rolfes: Unsere große Geschlossenheit, die hohe Disziplin und dass wir trotzdem die Spielfreude nicht verloren haben. Mit diesen Qualitäten können wir wuchern.


    kicker: Welche Rolle werden die genesenen Langzeitverletzten, Sie, Patrick Helmes, Renato Augusto und Michal Kadlec spielen?


    Rolfes: Eine enorme. Patrick war unser bester Torjäger und hat noch gar nicht gespielt. Die anderen haben es in der Hinrunde sehr gut gemacht, aber wir brauchen alle, weil wir uns weiter steigern, als Team verbessern müssen.


    kicker: Die Mannschaft ist unbesiegt. Wo muss sie sich steigern?


    Rolfes: Mannschaften, die sich im Laufe einer Saison entwickeln, werden Meister, nicht die, die am besten gestartet sind. Auswärts müssen wir dominanter auftreten, da gab es das eine oder andere
    Remis zu viel.
    INTERVIEW: STEPHAN VON NOCKS




    Quelle: kicker-Printausgabe vom 14.01.10

    LEVERKUSEN: Verteidiger fehlt mit Jochbeinbruch fünf Wochen – Heynckes vertraut Hinrunden-Elf


    Am Samstagabend erfuhr Jupp Heynckes von der schlechten Kunde: Gonzalo Castro fällt zum Rückrundenstart aus! Am Freitag hatte sich der 22-Jährige beim Test in Enschede (2:1) eine Jochbeinverletzung zugezogen. Eine Prellung, so hieß es erst. Doch dann der Schock: Castros Jochbein ist gebrochen! Da der Bruch günstig liegt, ist keine Operation notwendig. Allerdings muss Castro der Fraktur zehn Tage Ruhe gönnen. „Dann schauen wir weiter“, so Heynckes, der von einer Pause von „vier bis fünf Wochen“ für den Offensivverteidiger ausgeht.


    Doch der Trainer ist Verletztenmeldungen gewohnt. In der Hinrunde fielen ihm mit Renato Augusto (OP am Wadenbeinköpfchen), Simon Rolfes (Knieprobleme), Patrick Helmes (Kreuzbandriss) und Michal Kadlec (Syndesmoseeinriss) gleich vier Stammkräfte über Monate aus. Letzterer wird gegen Mainz Castro links in der Viererkette ersetzen. Abgesehen davon plant Heynckes trotz der prominenten Rückkehrer keine Umbauten: „Die Elf, die in Enschede gespielt hat, ist die, die höchstwahrscheinlich auch gegen Mainz anfangen wird. Es ist nicht notwendig, viel zu experimentieren.“


    Logisch. Sind bei der überzeugenden Enschede-Elf, die mit der vom Hinrundenfinale gegen Gladbach (3:2) identisch war, die Automatismen doch vorhanden, auf die Heynckes größten Wert legt und die er immer wieder einüben lässt. „Die Mannschaft ist eingespielt. Die Spieler, die zurückkommen, sind noch nicht in Bestverfassung. Ihnen fehlt Spielpraxis und das eine oder andere Prozent Fitness“, argumentiert der 64-Jährige. Aufgrund der kurzen Vorbereitung, in der Bayer sonst nur noch die zwei gestrigen 45-Minuten-Tests im Rahmen des Wintercups absolvierte, wäre kaum genügend Zeit vorhanden gewesen, um die Rückkehrer zu integrieren. So befindet sich Heynckes in einer Win-win-Situation. Funktioniert sein eingespieltes Team, hat er alles richtig gemacht. Hakt es im Bayer-Spiel, kann er seine hochkarätigen Alternativen von der Bank aus loslassen.


    Was heißt dies für Rolfes und Co.? Das Quartett muss, abgesehen von Kadlec, warten. Ihre Integration in die Startelf wird schrittweise erfolgen. Heynckes: „Wie sie sich anbieten. Das ist das Gesetz des Fußballs. Die anderen haben ja hervorragend gespielt.“ Am nächsten dran ist Kapitän Simon Rolfes. „Er ist sehr akribisch, ein Leader, auch neben dem Platz. Er ist einer, der schnell in die Mannschaft will und kommt“, erklärt Heynckes zum defensiven Mittelfeldspieler. Techniker Renato Augusto (offensive Außenbahn) und Torjäger Patrick Helmes müssen etwas länger warten. Bei beiden reagiert die Muskulatur auf die Belastung. „Das zeigt mir, dass sie Zeit brauchen“, so Heynckes. Helmes („Er wird sicher noch sehr wichtig“) und Renato Augusto hat er noch als entscheidende Faktoren in seiner Meisterschaftsrechnung – aber eher erst nach dem Rückrundenstart.
    STEPHAN VON NOCKS




    Quelle: kicker-Printausgabe vom 11.01.10

    LEVERKUSEN: Patrick Helmes greift wieder an


    Er fehlte fast die ganze Hinrunde wegen eines Kreuzbandrisses. Jetzt greift Patrick Helmes (25) wieder an.

    kicker: Herr Helmes, wie geht’s?


    Patrick Helmes: Fitnessmäßig bin ich wirklich in einem Topzustand. Besser als jemals zuvor. Der Rest pendelt sich ein. Die Böden sind tief, das ist nicht ideal. Ab und zu brauche ich Behandlung. Aber die Reha ist perfekt gelaufen.


    kicker: Hätten Sie sich mehr als zwei Wochen Vorbereitung gewünscht?


    Helmes: Nein. Die anderen Jungs hatten frei, dafür habe ich wie Simon Rolfes durchtrainiert und mir die letzte Fitness geholt. Jetzt sind die Testspiele extrem wichtig. Natürlich bin ich noch nicht bei 100 Prozent. Das braucht noch drei, vier Wochen. Dann geht es richtig los.


    kicker: 2008/09 waren Sie mit 21 Treffern Bayers Torjäger. Jetzt hat Stefan Kießling, der zuvor mehr Vorbereiter war, schon zwölfmal getroffen. Kann sich da Neid entwickeln?


    Helmes: Nein, wir verstehen uns alle gut. Jeder gönnt dem anderen die Tore. Stefan hat meine Aufgabe übernommen, ich habe vor einem Jahr ja auch zwölf Tore geschossen. Jetzt bin ich halt wieder da. Von der Qualität her sind wir jetzt im Sturm zumindest breiter aufgestellt.


    kicker: Ein Wort zu seiner Quote?


    Helmes: Schön, für einen Stürmer sind die Tore immer das Wichtigste. Stefan hatte einen richtig guten Lauf. Das war gut für uns.


    kicker: Jupp Heynckes sagte über Gekas, dass dieser öfter gespielt hätte, wenn er ein besserer Kopfballspieler wäre. Derdiyok sei mit seiner Kopfballstärke bei Standards wichtig. Sie sind auch kein Kopfballspezialist. Haben Sie schon am Kopfballpendel geübt?


    Helmes: Nein. Das zählte für Theo – ich habe andere Qualitäten, als bei Ecken Bälle rauszuköpfen. Bei Ecken bin ich der, der an der Mittellinie steht. Ich bin seit Jahren Stammspieler in der 1. und 2. Liga. Wenn ich bei 100 Prozent bin, bin ich sicher, dass ich auch spiele.


    kicker: Außer Ihnen sind auch Rolfes, Renato Augusto und Kadlec zurück. Ist Bayer endgültig unschlagbar?


    Helmes: Wir haben quasi vier Neuzugänge, die alle zum absoluten Stamm gehören. Wir haben eine super Hinrunde gespielt. Jetzt kommen noch diese Vier. Die ersten 18 Spieler sind jetzt sehr gut, sodass man auch viele Spiele von der Bank aus entscheiden kann. Vergangenes Jahr hatten wir diesen breiten Kader nicht. Da waren es nur 12, 13, 14 Spieler, die eingesetzt wurden. Jetzt kann man fast jeden bringen.


    kicker: Bayer will international spielen. Kann als Herbstmeister Platz fünf noch das Ziel sein?


    Helmes: Das ist schwer zu sagen, weil es so eng ist. Als Erster stehen wir super da. Das Wichtigste ist weiterhin, dass wir unter die ersten Fünf kommen. Wenn wir vernünftig aus der Winterpause kommen, werden wir uns lange oben halten.


    kicker: Nach einer Verletzung, heißt es, braucht man noch mal so viel Zeit, um wieder die Form zu finden. Schreiben Sie also die Weltmeisterschaft ab?


    Helmes: Die WM ist ein Traum, aber nicht mein primäres Ziel. Ich möchte viele Spiele bei Bayer machen und Erfolg haben. Der Rest pendelt sich ein. Ich war bei der Nationalelf gut dabei. Dann gab’s den Kreuzbandriss. Aber ich komme wieder, irgendwann.
    INTERVIEW: STEPHAN VON NOCKS




    Quelle: kicker-Printausgabe vom 07.01.2010

    Er ist der Sportdirektor des Herbstmeisters, sieht sich selbst als „ein Stück Bayer“.
    Im großen Interview spricht RUDI VÖLLER (49) über den Glücksgriff mit Jupp Heynckes, das junge Team, die Ambitionen der Leverkusener und die verkürzte Winterpause.


    kicker: Herr Völler, wie häufig mussten Sie in den vergangenen Wochen die Frage beantworten, wann und ob Bayer Leverkusen in dieser Saison den sportlichen Einbruch erlebt?


    Rudi Völler (49): Oft, sehr oft. Aber das haben wir uns ja auch redlich verdient in der letzten Saison. Mit dieser Frage müssen wir leben nach dem Einbruch damals. Wobei ich dann schon Wert darauf lege, dass es ein Sonderfall war, vorher ist uns das so ja nie passiert. Der Hauptgrund war sicherlich der Umzug nach Düsseldorf, dazu gesellte sich die zunehmende Verunsicherung der Spieler, letztlich trugen viele Komponenten zu dieser Negativserie bei.


    kicker: Besteht die Gefahr einer sportlichen Talfahrt erneut?


    Völler: Nein! Ich kann jetzt nicht prophezeien, wo wir am Ende der Saison landen. Ich sehe eine Saison auch unabhängig von der Platzierung. Dazu sind zu viele Klubs zu eng beieinander. Aber ich bin sicher, dass uns Ähnliches nicht wieder passieren wird. Dazu sind wir mittlerweile viel zu stabil.


    kicker: Wie weit lassen Sie Träume vom Titel zu?


    Völler: Eine Stärke von Bayer ist es, sich nicht von äußeren Einflüssen abhängig zu machen. Das gilt für den Erfolgs- wie für den Misserfolgsfall. Deshalb gibt es auch keine Blütenträume bei den Verantwortlichen. Wir sehen es sehr realistisch, und da kann man zum jetzigen Zeitpunkt festhalten: Die Wahrscheinlichkeit, in der kommenden Saison international spielen zu können, ist gestiegen. In welchem Wettbewerb, das ist schwer vorauszusagen. Der Vorsprung auf Platz sechs beträgt sieben Punkte, den müssen wir halten, am besten ausbauen. Eine schwere Aufgabe, da ist es schon besser, nicht die Bodenhaftung zu verlieren.


    kicker: Wer wird Meister?


    Völler: Das hängt von Bayern München ab. Die bestimmen das ganz alleine. Finanzen, Kader, Infrastruktur – die Bayern sind allen Klubs weit voraus. Da hast du als Konkurrenz nur eine Chance, wenn es interne Querelen gibt. Aber das haben sie ja offensichtlich in den Griff bekommen.


    kicker: Trotz dieser Querelen stehen die Bayern weit oben. Wie groß wäre der Vorsprung, wenn Harmonie geherrscht hätte?


    Völler: Das ist spekulativ. Fakt ist, dass die Bayern bereits in der vergangenen Saison mit zehn Punkten Vorsprung hätten Meister werden müssen. Und vor dieser Saison haben sie sich ja nicht verschlechtert. Die Bayern müssten eigentlich immer vor uns stehen, Gott sei Dank ist es nicht so! Es macht die Liga ja spannend, dass Klubs wie Wolfsburg, Bremen, Hamburg, Schalke oder wir die auch mal ärgern können. Aber grundsätzlich bleibe ich dabei: Der Spieler, der bei den Bayern einen Fünfjahresvertrag unterschreibt, wird in dieser Zeit mindestens zwei- oder dreimal Deutscher Meister. Da kann er sich gar nicht gegen wehren.


    kicker: Bayer gehörte vor der Saison nicht zu den Kandidaten auf eine Top-Platzierung. Zuletzt wurde die Mannschaft kritisiert, nachdem sie zweimal hintereinander auswärts unentschieden spielte. Stimmt da noch die Verhältnismäßigkeit?


    Völler: Es gibt Schlimmeres, als in Hannover oder Berlin einen Punkt zu holen. Da wird ja auf ganz hohem Niveau kritisiert. Und dabei vergessen, was wir an Verletzungspech verkraften mussten. Es waren ja nicht nur die Hamburger oder die Bayern mit Robben und Ribery vom Pech verfolgt. Bei uns fehlten mit Helmes, Rolfes, Kadlec, Renato Augusto und zuletzt Friedrich fünf Stammspieler. Dass wir trotzdem oben geblieben sind, das ist sensationell.


    kicker: Sensationell schlug auch Sami Hyypiä ein. Hatten Sie mit dieser Leistung, zumal er schon Mitte 30 ist, gerechnet?


    Völler: Ja, weil Sami seit vielen Jahren auf hohem Niveau spielt. Er ist ja nicht nur ein Kopfballspieler oder ein Zerstörer. Er schlägt Pässe über 50 Meter – mit beiden Füßen. Die kommen wie an der Schnur gezogen. Er ist ein ganz moderner Verteidiger, kommt ohne Fouls aus und genießt bei uns höchsten Respekt. Aber auch Toni Kroos, Stefan Reinartz, Eren Derdiyok oder Daniel Schwaab entwickelten sich überaus positiv.


    kicker: Welche Rolle spielte Jupp Heynckes bei dieser Entwicklung?


    Völler: Der Jupp hatte ja immer ein Faible für junge Spieler. Deshalb habe ich mir nie Sorgen gemacht, dass es nicht passen könnte mit ihm. Er ist ja auch keiner, der mit einem ganzen Team den Job macht. In dieser Frage konnte ich ihn dann schnell davon überzeugen, welchen Wert Peter Hermann in Leverkusen als Co-Trainer besitzt. Es hat zum Glück alles gepasst.


    kicker: Wie sehr überrascht Sie sein Erfolg?


    Völler: Nicht sehr. Dass die Qualität im Kader stimmt, so weit waren wir ja schon in der vergangenen Saison. Da standen wir nach 13 Spieltagen auf Platz eins. Das war kein Zufall. Zufällig stehst du nach drei oder vier Spieltagen mal ganz oben, aber nicht nach 13. Aber nach der Analyse der Rückrunde sahen wir uns gezwungen, einen erfahrenen, ruhigen Trainer zu verpflichten. Den Jupp habe ich immer geschätzt, der besitzt eine gute Ausstrahlung und hat während der Zeit in München gezeigt, dass das innere Feuer noch brennt.


    kicker: Stichwort „inneres Feuer“. Das Jahr 2010 bringt nicht nur eine Weltmeisterschaft. Auch für Sie wird es spannend – Rudi Völler wird im April 50. Eine besondere Zahl für Sie?


    Völler: Mit Geburtstagen gehe ich um wie mit der Tabellenführung – völlig relaxt! Als wir jung waren, haben wir in Fünfzigjährigen alte Menschen gesehen. Aber das war eine andere Generation, eine, die viel mehr mitmachen musste. Uns ist der Krieg erspart geblieben, Gott sei Dank.


    kicker: Und, wie lange brennt Ihr inneres Feuer noch?


    Völler: Schwer zu sagen. Für mich gibt es keinen Termin. Als ich 26 war, da habe ich mir nicht vorstellen können, noch zehn Jahre Fußball zu spielen. Aufgehört habe ich mit 36. Die Sache hier in Leverkusen ist mir sehr ans Herz gewachsen. Ich arbeite total gerne hier. Ich fühle mich wie ein Stück Bayer. Ich war Spieler, Sportdirektor, Trainer – es hat immer alles gepasst. Es gibt keine Planung über Bayer hinaus.


    kicker: Es gibt auch nicht die Tendenz Richtung Rom?


    Völler: Diese Stadt wird immer eine Rolle in meinem Leben spielen. Ich fühle mich als halber Römer, es ist meine Lieblingsstadt und die schönste Stadt der Welt, keine Frage! Aber ich fühle mich hier in Leverkusen superwohl und arbeite, wie gesagt, sehr gerne hier.


    kicker: Der Trainer Völler gehört endgültig der Vergangenheit an?


    Völler: Grundsätzlich ja. Ich kann mal einspringen, kurzfristig. Aber für längere Zeit auf keinen Fall. Diese Leidenschaft habe ich nicht.


    kicker: Denken Sie noch oft an Ihre Zeit als Teamchef zurück?


    Völler: Natürlich. Es war eine tolle Zeit, eine große Aufgabe. Und die Arbeit beim Verband unterscheidet sich doch von der im Klub. Das ist so eine Mischung aus Trainer und Sportdirektor.


    kicker: Was erwarten Sie von der deutschen Mannschaft in Südafrika?


    Völler: Deutschland gehört zu den fünf oder sechs Mannschaften, die den Titel holen können.


    kicker: Michael Ballack sieht das offensichtlich anders, beklagte zuletzt im kicker-Interview fehlende Klasse und Konstanz …


    Völler: Ich denke, da wollte der Michael ein bisschen provozieren, kitzeln, einen Weckruf starten. Das ist ja auch okay und sein gutes Recht. Die Top-Favoriten heißen Spanien und Brasilien. Aber wir sind vorne dabei. Es kommt auch immer darauf an, wer wann auf wen trifft. Die Vorrundengruppe halte ich für mittelschwer, aber bei voller Konzentration ist das machbar.


    kicker: In knapp zwei Wochen beginnt die Rückrunde, am 8. Mai ist der letzte Saisonspieltag …


    Völler: Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen! Da fehlt mir jegliches Verständnis. Weil die UEFA das Champions-League-Finale auf einen Samstag legt, muss ganz Europa eine Woche früher aufhören! Wegen zwei Mannschaften! Unfassbar. Bei allem Respekt vor diesem Endspiel, wir haben ja selbst mal drin gestanden und das genossen, diese Einzigartigkeit. Aber dass man jetzt im Winter die Leute ins Stadion holt und im Mai die Termine nicht sinnvoll nutzt, das ist eine ungesunde Entwicklung.


    kicker: Wie reagiert Bayer darauf?


    Völler: Es wird darauf hinauslaufen, dass wir die Saison verlängern, über die Dörfer tingeln oder ins Ausland gehen. In einer dermaßen langen Pause verlieren ja gerade die Spieler, die nicht für die WM nominiert sind, komplett den Rhythmus. Das ist wieder eine Entscheidung der UEFA-Exekutive, die überhaupt nicht nachvollziehbar ist. Fußball ist ein Sommersport, und im schönsten Monat überhaupt, dem Mai, kann in ganz Europa nicht mehr gekickt werden, weil einige Herren der Meinung sind, das Champions-League-Finale müsse an einem Samstag gespielt werden. Das geht mir nicht in den Kopf.
    INTERVIEW: FRANK LUßEM





    Quelle: kicker-Printausgabe vom 04.01.2010

    Simon Rolfes, Patrick Helmes, Michael Kadlec und Renato Augusto – die Langzeitverletzten waren beim Trainingsauftakt am Samstag wieder dabei. Arturo Vidal nicht. Der Chilene, dem Jupp Heynckes einen Tag Aufschub gegönnt hatte, fehlte auch am Sonntag. Vidal, der nun heute, Montag, zurückerwartet wird, habe eine Grippe gehabt, so der Trainer. Am Sonntagnachmittag ebenfalls nicht am Ball waren Rolfes, Helmes und Renato Augusto. Heynckes befürchtet nach deren langer Pause Muskelverletzungen: „Deswegen sind wir gerade bei Renato sehr vorsichtig. Wir wollen ihn behutsam aufbauen.“ Wird der Brasilianer, der nach OP am Wadenbeinköpfchen nun parallel Muskelaufbautraining absolviert, zum Rückrundenstart topfit? Heynckes: „Man muss sehen, wie er sich integriert. Ich hoffe, dass er dann zumindest im Aufgebot steht.“ SvN




    Quelle: kicker-Printausgabe vom 04.01.2010

    Sie sind die drei besten deutschen Torjäger dieser Hinrunde:
    MARIO GOMEZ (24), KEVIN KURANYI (27) und STEFAN KIESSLING (25).
    Mit dem FC Bayern, Schalke 04 und Bayer Leverkusen liefern sie sich ein heißes Rennen um die kicker-Torjägerkanone – um den Meistertitel und um die Gunst von Bundestrainer Löw.


    kicker: Herr Kießling, was bedeutet es Ihnen, Herbstmeister geworden zu sein?
    Stefan Kießling: Im Endeffekt nichts. Man ist nach 17 Spieltagen die beste deutsche Mannschaft. Aber abgerechnet wird eben erst nach 34 Spielen.
    kicker: Hätte Ihnen der Halbzeit-Titel mehr bedeutet, Herr Gomez, Herr Kuranyi?
    Mario Gomez: Auf Platz 1 zu überwintern wäre schön gewesen, ist aber nicht wichtig. Entscheidend ist doch nur, wer nach dem letzten Spieltag oben steht.
    Kevin Kuranyi: Für uns ist eigentlich nur wichtig, dass wir in der Hinrunde sehr viele Punkte gesammelt haben.
    kicker: Wie fällt Ihre ganz persönliche Bilanz dieser Hinrunde 2009/10 aus?
    Kießling: Für mich ist die Saison bisher überragend gelaufen. Ich habe so viele Tore erzielt wie noch nie zuvor, wir stehen mit dem Team oben, ich bin in die Nationalmannschaft berufen worden und habe
    ganz ordentlich gespielt. Alles in allem war es eine richtig gute Hinrunde.

    Gomez: Meine Bilanz ist durchwachsen. Nach schwierigen Monaten am Anfang der Saison endete die Hinrunde für mich sehr positiv – ich hoffe, dass ich in der Rückrunde daran anknüpfen kann.
    kicker: Welche Erfahrung als Torjäger war die wichtigste?
    Kuranyi: Dieselbe Erfahrung, die ich und viele Torjäger schon oft gemacht haben: Wenn es mal nicht läuft, muss man ruhig bleiben und Geduld haben. Irgendwann platzt der Knoten immer.
    Gomez: Harte Arbeit wird halt immer belohnt.
    Kießling: Man darf sich nie auf seinen Lorbeeren ausruhen. Zwar sollte man alle Lobeshymnen mitnehmen und die schöne Zeit genießen – aber das Wichtigste ist, sich in jedem Spiel wieder neu zu beweisen.
    kicker: Wie viel Egoismus braucht ein Stürmer?
    Gomez: Viel! Allerdings muss man auch unterscheiden: es gibt Stürmer, die denken egoistisch, spielen aber nicht so.
    kicker: Und Sie . . . ?
    Gomez: . . . ich spiele manchmal lieber egoistisch – denke aber nicht so.
    Kuranyi: Die Kunst besteht doch darin, die richtige Mischung zu finden. Einerseits benötigen wir Stürmer einen Tick Egoismus, um Erfolg zu haben. Andererseits müssen auch wir mannschaftsdienlich spielen.
    Kießling: Ich gelte seit Jahren als Teamplayer, dessen Quote darunter leidet, dass er zu viel arbeitet. In dieser Saison spiele ich auch nicht anders. Allerdings bin ich vor dem Tor ruhiger geworden. Ich denke weniger nach und treffe wie nie. Das geht auch ohne jeden Egoismus.
    kicker: Sind Sie heiß auf die kicker-Torjägerkanone?
    Kießling: Wir brauchen nicht darüber zu reden, dass sich diese Auszeichnung sehr gut auf dem Kaminsims macht. Jeder Stürmer will möglichst viele Tore schießen. Aber was helfen diese Tore, wenn das Ziel mit der Mannschaft am Ende doch verpasst wird?
    Gomez: Natürlich will ich irgendwann in meiner Karriere mal die Kanone gewinnen, aber das ist nicht mein primäres Ziel. Titel mit der Mannschaft sind viel wichtiger als persönliche Erfolge.
    Kuranyi: Ich bin heiß darauf, mit Schalke Erfolg zu haben. Wenn wir eine gute Saison spielen und am Ende zusätzlich noch die Torjägerkanone für mich dabei herausspringt, ist das sicher schön. Aber es ist kein konkretes Ziel.
    kicker: Welcher Treffer war Ihr wichtigster in dieser Saison?
    Kuranyi: Jedes Tor war wichtig. Vielleicht war mein 100. Bundesligatreffer sogar noch einen Tick wichtiger als alle anderen. Allerdings nicht für mich persönlich – sondern weil danach der Druck von außen weg war.
    Kießling: Für mich war kein einzelner Treffer wichtig, sondern jeder, der die Führung brachte.
    Gomez: Oder eine Vorentscheidung, wie mein 3:1 bei Juventus Turin im letzten Vorrundenspiel der Champions League. Damit waren wir eigentlich schon im Achtelfinale der Königsklasse.
    kicker: Über welche vergebene Chance haben Sie sich am meisten geärgert?
    Gomez: Ich ärgere mich über jede Chance, die ich vergebe. Ich denke, das gehört zum Ehrgeiz eines guten Stürmers dazu. Aber genauso schnell muss man die Situation auch wieder abhaken und sich auf die nächste Möglichkeit konzentrieren.
    Kuranyi: Ich versuche aus vergebenen Chancen zu lernen, hake sie schnell ab und blicke wieder nach vorn. Aber natürlich ärgere ich mich immer, wenn ich eine Chance vergebe.
    Kießling: Tore sind doch der Sinn des Fußballs, oder? Als mich der Linienrichter in München (1:1, Anm. d. Red.) fälschlicherweise im Abseits sah, habe ich mich wirklich geärgert. In derart knappen Situationen sollte für den Angreifer entschieden werden.
    kicker: Welcher Gegenspieler hat Sie am meisten geärgert? Wer war der unangenehmste in der Liga?
    Gomez: Mein Mitspieler beim FC Bayern, Breno. Ich habe in fast jedem Training „das Vergnügen“, gegen ihn zu spielen.
    Kießling: Ich tue mich gegen Pedro Geromel aus Köln schwer. Er ist giftig im Zweikampf, sehr gut im Kopfballspiel, einfach ein guter Abwehrspieler.
    Kuranyi: Ein Top-Abwehrspieler ist auch Josip Simunic, technisch gut, immer eng am Mann, groß, kopfballstark.
    kicker: Wer ist der beste Stürmer der Welt?
    Gomez: Lionel Messi vom FC Barcelona.
    Kießling: Absolut. Er ist überragend schnell, wendig, listig, torgefährlich, und seit dem Finale in der Champions League weiß die ganze Welt, dass er sogar Kopfballtore erzielen kann. Lionel Messi ist die Nummer 1.
    Kuranyi: Wenn ich einen wählen muss, der derzeit noch aktiv ist, dann nehme ich Ronaldo.
    kicker: Ronaldo?
    Kuranyi: Er ist vermutlich nicht der derzeit Beste, aber über seine gesamte Karriere gesehen ist er ein absoluter Weltklassespieler.
    kicker: Die Weltklasse trifft sich im kommenden Sommer bei der WM 2010. Werden wir Sie in Südafrika als Stammspieler der deutschen Nationalmannschaft sehen, Herr Kießling, Herr Gomez?
    Kießling: Das entscheidet der Bundestrainer. Ich kann nur zusehen, dass ich alles dafür tue – und das werde ich.
    Gomez: Das gilt natürlich auch für mich in München. Ein Stammplatz ist mein absolutes Ziel.
    kicker: Sollte Joachim Löw Kevin Kuranyi die Chance einräumen, sich für die WM am Kap aufzudrängen?
    Kießling: Auch das entscheidet der Trainer. Und wenn es so kommt, dann wird Kevin das sicher verdienthaben.
    Gomez: Diese Entscheidung kann wirklich nur der Bundestrainer treffen. Aber Kevin ist ein Freund von mir, deshalb fände ich es natürlich sehr schön, wenn es so käme.
    kicker: Herr Kuranyi, wenn Sie sich etwas aussuchen dürften: Was hätten Sie gerne von Mario und Stefan?
    Kuranyi: Ich schaue lieber auf mich und arbeite an meinen Schwächen.
    kicker: Was hätten die anderen beiden gerne von Kevin?
    Kießling: Ganz ehrlich? Die Anzahl der Länderspiele. Am besten von beiden zusammen.
    kicker: Und Sie, Mario?
    Gomez: Ich bin ganz zufrieden, wie ich bin.
    kicker: Vor der WM steht noch die Bundesliga an. Wer wird Meister?
    Gomez: Keine Frage: der FC Bayern.
    Kießling: Ich hätte auch nichts gegen den Titel. Aber dafür müssten wir als Mannschaft 17 Spiele lang perfekt funktionieren. Realistischer und ohne Zweifel wichtiger als jeder Traum ist die Konzentration auf einen Platz unter den ersten fünf Teams der Tabelle.
    kicker: Erfolgreiche Stürmer sind auf dem Markt gefragt. Wann folgt der nächste Schritt in Ihrer Karriere, ein Wechsel ins Ausland?
    Gomez: Ich bin doch erst vor ein paar Monaten nach München gekommen und habe hier einen Vertrag bis Ende Juni 2013. Ich verschwende keine Gedanken an einen erneuten Wechsel.
    Kießling: Ich auch nicht. Ich denke nur an Bayer.
    AUFGEZEICHNET VON FRANK LUßEM, THIEMO MÜLLER UND KARLHEINZ WILD


    Wussten Sie schon, dass Stefan Kießling . . .
    . . . jetzt schon die beste Trefferzahl seiner Karriere erreicht hat? 12 Tore waren es auch letzte Saison – aber nach 34 Spielen.
    . . . für seine bisherigen Länderspiele nicht viel reisen musste? Gespielt wurde in Duisburg, Düsseldorf und Gelsenkirchen. Folgt jetzt Südafrika?
    . . . bei seinem ersten Länderspiel für Kuranyi, bei seinem zweiten für Gomez eingewechselt wurde? Bei seinem dritten und bislang letzten Einsatz stand er in der Startelf und wurde für Gomez ausgewechselt.
    . . . am 2. Spieltag die Spitze in der Torjägerliste übernahm und diese bis heute nicht mehr abgab?
    . . . an jedem der ersten fünf Spieltage traf und damit einen Bundesligarekord einstellte? Am 6. Spieltag ging er leer aus und darf sich deswegen nicht alleiniger Rekordhalter nennen.




    Quelle: kicker-Printausgabe vom 28.12.09

    LEVERKUSEN: Jeder Einkauf ein Volltreffer


    Es war dann doch, trotz des leichten Abknickens in der Endphase der Vorrunde, eine beruhigende Zeit für die Verantwortlichen von Bayer Leverkusen. Beruhigend aus zweierlei Gründen: Erstens zeigte sich, dass Scoutingabteilung und Management des Werksklubs sich auf die Spürnasen verlassen können. Die Einkäufe entpuppten sich erneut als Volltreffer, ob Sami Hyypiä, Eren Derdiyok Daniel Schwaab oder Rückkehrer Stefan Reinartz. Zweitens aber präsentierten sich auch die Etablierten, die in der vergangenen Saison zu oft enttäuscht hatten, wieder in alter Frische: Friedrich, Castro, Kießling, Barnetta, Rolfes. Und hätten sich nicht potenzielle Leistungsträger wie Helmes, Renato Augusto, Rolfes und Kadlec meist langfristig verletzungsbedingt verabschieden müssen – wer weiß, wie viele Punkte man auf Platz eins dann hätte.


    Immerhin aber befindet sich Bayer auf dem Wege der Wiedergutmachung, blieb ohne Niederlage, spielte dabei mitunter überragend, meist überzeugend, selten schlecht. „Wir haben uns stabilisiert“, konstatierte Sportchef Rudi Völler (49), den auch die acht Unentschieden nicht grämten: „Viele dieser Spiele hätten wir in der vergangenen Saison unter Garantie verloren.“
    Völler würde es nie tun, doch der Ex-Nationalspieler dürfte sich beruhigt auf die Schulter klopfen für seine Idee, Jupp Heynckes als Trainer zu verpflichten. Seinen Ehrgeiz hat sich der 64-jährige Fußballlehrer bewahrt, die Verbissenheit jedoch abgelegt. Er versteht die Spieler und versteht sich deshalb gut mit ihnen. Er gönnt hier Ruhepausen, mahnt da Extraeinheiten an, lässt auch mal Fünfe gerade sein. „Er ist vor allen Dingen fair“, lobt Stürmer Stefan Kießling. Heynckes erkannte auf jeden Fall schnell das Potenzial des Kaders und drehte dann entsprechend behutsam an den Stellschrauben. Jetzt kommt die Pause – danach wird es ernst.
    FRANK LUßEM



    Kießling auch ligaweit top


    Bester Torschütze
    Stefan Kießling 12
    Bester Vorbereiter
    Tranquillo Barnetta 7
    Der Dauerbrenner
    Stefan Kießling 1527 Min.
    Der Notenbeste
    Stefan Kießling 2,62
    Höchster Sieg/Niederlage
    5:0 beim SC Freiburg
    ohne Niederlage





    Quelle: kicker-Printausgabe vom 28.12.09

    LEVERKUSEN: Friedrich ist wieder dabei – Castro soll Reus stoppen – Kadlec auf der Bank


    Die Ausgangsbasis ist bestens: Als Tabellenführer geht Bayer Leverkusen ins Hinrunden-Finalspiel. Das Vertrauen der User von http://www.kicker.de ist vorhanden (siehe unten), der Gegner aus Mönchengladbach (gegen den man die letzten 24 Spiele nicht verlor und die vergangenen fünf jeweils gewann!) kommt aus dem Tabellen-Mittelfeld und wurde in der letzten Partie der beiden Mannschaften mit 5:0 abgebügelt, ein historisches Spiel war das am 16. Mai 2009, damals, als Bernd Schneider letztmals in einem Pflichtspiel eingesetzt wurde und Leverkusen noch in Düsseldorf spielen musste.


    All das ist lange her, das Durchschnittsteam der Rückrunde 2008/09 mutierte zum aktuellen Spitzenreiter, unbesiegt noch nach 16 Spieltagen. Bereits seit neun Runden grüßt Bayer von ganz oben. Weil das so bleiben soll und „wir“, so Trainer Jupp Heynckes (64), „diese hervorragende Runde krönen wollen“, wird der Trainer nicht müde, seine Profis zu mahnen: „Wir müssen noch einmal alles mobilisieren. Dieses Spiel ist ein Endspiel, ein Höhepunkt. Und wer sich die Gladbacher in den vergangenen Spielen genau angeschaut hat, der weiß, dass es einer überdurchschnittlichen Leistung bedarf, um die drei Punkte zu holen. Das werden die Jungs deutlich zu hören bekommen.“


    Zu den „Jungs“ zählt dann auch wieder Manuel Friedrich (30). Der Innenverteidiger, der an der Seite von Sami Hyypiä (36) eine mehr als respektable Hinrunde absolvierte (kicker-Durchschnittsnote 2,82), musste bei Hannover 96 und Hertha BSC zuletzt zwei Spiele Pause einlegen, die Wade zwickte. Seit Dienstag läuft er wieder, nun soll er ins Mannschaftstraining einsteigen, „es wird wohl reichen für Samstag“, freut sich der Trainer.


    Weniger freuen wird sich wohl Michal Kadlec (25). Dem tschechischen Nationalspieler droht erneut, nur eine Woche nach dem Comeback in der Startelf, die Bank. Nach den Trainingseindrücken der vergangenen Woche sieht es so aus, als solle Gonzalo Castro (22) wieder als linker Außenverteidiger nominiert werden. Kadlec, dessen Klasse unbestritten ist, gereicht in diesem Falle die fehlende Spielpraxis nach knapp zehn Wochen Verletzungspause zum Nachteil. Zum schnellen und dynamischen Gladbacher Shootingstar Marco Reus (20) passt der wendige Castro derzeit zumindest besser. FRANK LUßEM



    FRAGE DER WOCHE:
    Wer wird Herbstmeister?

    Bayer Leverkusen 43,6 %
    Bayern München 29,4 %
    FC Schalke 04 27,0 %


    10 216 Teilnehmer
    http://www.kicker.de



    NACHGEHAKT
    kicker: Herr Völler, der polnische Nationaltrainer Franciszek Smuda will Lukas Sinkiewicz in die polnische Nationalmannschaft holen. Wie sieht Bayer das?
    Rudi Völler (49): Es ist seine ganz persönliche Entscheidung, so etwas muss man völlig unabhängig von Vereinsinteressen sehen. Wenn Lukas es will und Smuda ihn holt, dann freut mich das für ihn.





    Quelle: kicker-Printausgabe vom 17.12.09

    Das fragte Trainer Jupp Heynckes nach dem Spiel in Berlin - und ließ vorsichtshalber prüfen, wie es um die Fitness steht


    Von Kai Psotta


    Als die Spieler Bayer Leverkusens am vergangenen Samstag um 10.15 Uhr im Konferenzraum im Grand Hotel Esplanade antraten, wussten sie nicht, was sie erwarten würde. Ihr Trainer Jupp Heynckes (64) hatte sie nach dem 2:2 beim Schlusslicht Berlin und nur zwei Punkten aus den vergangenen beiden Spielen noch vor dem Auslaufen zum Rapport einbestellt. Doch Heynckes brüllte nicht los oder nagelte die Spieler an die Wand.


    Laut geworden war er schließlich schon am Vortag in der Halbzeitpause. SPORT BILD weiß, was Heynckes seiner Mannschaft vorwarf: „Wir sind zu weit von den Gegenspielern. Wir gehen nicht in die Zweikämpfe. Wir lassen alles vermissen, was uns in den letzten Wochen so stark gemacht hat.“ Zu dem Zeitpunkt lag Bayer als Tabellenführer 0:1 gegen Berlin hinten. Ausgerechnet gegen das Team, das in dieser Saison nur einen einzigen Sieg (gegen Hannover) holte.


    Doch nun, bei der Besprechung im Teamhotel, fragte er seine Profis nur ganz ruhig: „Warum funktionieren wir als Mannschaft nicht mehr? Liegt es an unserem Fitnesszustand? Wollt ihr anderes Training? Oder mehr?“
    Stefan Kießling (25), mit zwölf Toren derzeit der beste Stürmer der Liga, meldete sich zu Wort. Auch Mittelfeldspieler Tranquillo Bametta (24) antwortete. Beide verneinten, obwohl Bayer derzeit sehr dosiert nur einmal am Tag trainiert: Nein, das Training müsse nicht verändert werden. Auch mangelnde Fitness sei nicht der Auslöser des Zwischentiefs bei Bayer.


    Das ergab die Auswertung von Leverkusens Konditionstrainer Holger Broich, der bei der Ansprache dabei war. Er hatte mithilfe des Computersystems Amisco, mit dem eine komplette Bewegungsanalyse erstellt wird, die Anzahl der Sprints und Laufkilometer der Spieler analysiert - ohne feststellen zu müssen, dass es großartige Veränderungen gab.


    Heynckes selbst will die Inhalte der Ansprache nicht kommentieren. Er rede nie über interne Besprechungen, sagt er auf Anfrage - aber: „Ich habe überhaupt keine Bedenken, dass die Mannschaft einbrechen könnte. Man sollte jetzt nicht den Fehler begehen, uns jetzt zu unterschätzen.“


    Auch Verteidiger Stefan Reinartz (20), der bis auf den Auftritt bei den Berlinern ein zuverlässiger Ersatz von Nationalspieler Simon Rolfes (27) war, bleibt optimistisch: "Wir haben jetzt zwei Spiele weit unter unseren Möglichkeiten gespielt. Gegen Berlin war mit Sicherheit auch mein schwächstes Spiel. Aber trotz des kleinen Durchhängers zuletzt haben wir noch immer eine ideale Ausgangslage. Wir sind Tabellenführer und können aus eigener Kraft Herbstmeister werden.“


    Sportdirektor Rudi Völler sieht auch noch keine größeren Probleme: „Wir stehen immer noch oben. Das ist unter den Voraussetzungen, dass uns einige Leistungsträger fehlen, ganz stark.“ Neben Rolfes (arthroskopische Gelenkspülung im Knie) fehlt Bayer insbesondere Renato Augusto (Kalkablagerung zwischen Schien- und Wadenbein). Beide sollen in der Rückrunde wieder dabei sein.


    Doch erst einmal geht es am Samstag zu Hause gegen Borussia Mönchengladbach. „Ein Sieg noch, und wir brauchen uns erst mal keine Gedanken zu machen“, sagt Reinartz. „Denn dann können wir uns mit viel Selbstvertrauen auf die Rückrunde vorbereiten und unseren Weg fortsetzen."


    Seit dem achten Spieltag ist Leverkusen Tabellenführer. Vor dem letzten Spieltag der Hinrunde mit einem Punkt Vorsprung vor Schalke o4.



    Kurz-Interview mit Ex-Bayer-Trainer Toppmöller


    Herr Toppmöller, Sie waren mit Bayer 2001/2002 Herbstmeister, wurden letztlich Vizemeister. Wiederholt sich die Geschichte?
    Klaus Toppmöller (58): Wenn Bayer komplett durchspielen kann, haben sie eine einmalige Chance. Ohne weiteres Verletzungspech oder Sperren traue ich ihnen den Titel zu. Abschmieren werden sie nicht.
    Warum nicht?
    Weil Patrick Helmes noch acht bis zehn Tore macht. Ich würde aber nicht mit drei Stürmern spielen. Damit würde man ihnen gegenseitig die Luft abschnüren.




    Quelle: SportBild-Printausgabe vom 16.12.09

    LEVERKUSEN: Der Trainer will sich nach zwei Unentschieden die Hinrunde nicht miesreden lassen


    Es ist weit gekommen mit Bayer Leverkusen. Ungeschlagen steht die Mannschaft nach 16 Spieltagen an der Tabellenspitze, die Möglichkeit, Herbstmeister zu werden, ist aktuell für Bayer größer als für jeden anderen Klub, und trotzdem: Das Negative überwiegt bei den meisten Beobachtern, wahlweise wird nach den Auftritten in Hannover und Berlin von einer Mannschaft geschrieben oder gesprochen, die „zu grün“ ist, „dumm“ oder „nicht clever“, die hier „taumelt“, da „stolpert“.


    Mal wieder lässt das Kurzzeitgedächtnis eine Menge Beobachter im Stich. Bayer Leverkusen beendete die vergangene Saison als Neunter, kein Fachmann hatte den Werksklub auf der Rechnung für die neue Spielzeit, die interne Zielvorgabe hieß Platz fünf. Von diesem Ziel ist Bayer, im positiven Sinne, ein Stück entfernt, genauer gesagt: vier Punkte. Und trotzdem: Unzufriedenheit bricht sich Bahn nach den beiden Unentschieden von Hannover und Berlin. Zwei Auswärtsspiele hintereinander, keines verloren, trotzdem wird gemotzt: Es ist weit gekommen mit Bayer Leverkusen.


    Dass die Mannschaft zuletzt mehr schlecht als recht spielte, ist kein Geheimnis. Allerdings auch nicht, dass seit Monaten immer wieder Stammspieler ersetzt werden müssen. Spieler, die zum Rückrundenstart wieder zur Verfügung stehen „und uns sicherlich helfen werden, auch solche Spiele wie in Berlin wieder zu gewinnen“, wie Trainer Jupp Heynckes (64) hofft. Der Routinier sieht die Hinrunde als Ganzes und verteilt dementsprechend Lob: „Es ist großartig, was die jungen Spieler geleistet haben und noch leisten.“


    Heynckes hat nicht vergessen, wo Bayer herkam, welches Chaos in diesem Kader noch vor ein paar Monaten herrschte. Mit dieser Unordnung räumte er auf, machte ganz unaufgeregt seinen Job. Ohne große Worte, ohne salbungsvolles Verkünden einer „Philosophie“ handelte Heynckes und erzielte Erfolge: Jeder Spieler des Kaders konnte sich unter der Anleitung des Duos Heynckes/Peter Hermann (57) verbessern. Das in der vergangenen Saison mitunter dilettantisch anmutende Defensivspiel wurde optimiert. Spieler wie Stefan Reinartz (20), Daniel Schwaab (21) oder Toni Kroos (19) konnten problemlos integriert werden. Nach 16 Spieltagen steht Platz eins!


    Auch Bayer Leverkusen fliegen die Siege nicht zu. Was so oft leicht aussah, war immer Produkt harter Trainingsarbeit. „Wir müssen hart kämpfen um jeden Sieg“, weiß Heynckes, ebenso ist ihm nicht entgangen, „dass wir in den beiden Spielen zuletzt nicht mehr so gut waren.“ Trotzdem bleibt unter dem Strich der Erfolg: „Wir sind Spitzenreiter. Und jetzt gehen wir die Partie gegen Mönchengladbach an wie ein Endspiel.“


    Fakt ist: Weniger als Platz drei kann nicht rausspringen zur Saison- Halbzeit, Bayer ist voll im Plan. Trotz der Unentschieden!




    NACHGEFRAGT
    „Ich hoffe auf die nächste Chance!“


    kicker: Wann haben Sie erfahren, dass Sie spielen werden, Herr Kaplan?
    Burak Kaplan (19): Das Signal kam so in der 40. Minute. Da blieb noch genug Zeit, mich darauf einzustellen.
    kicker: Wie war’s?
    Kaplan: Wahnsinn! Ich spiele seit der F-Jugend für Bayer und mache jetzt bei den Profis im ersten Spiel das erste Tor. Schade, dass es nicht zum Sieg gereicht hat. Ich hoffe jetzt auf die nächste Chance.
    kicker: Am Samstag ging es weiter …
    Kaplan: Ja, ich habe 65 Minuten in der U 23 gegen Bonn gespielt. Als ich rausging, stand es 3:1 und wir waren in Überzahl. Am Ende stand es 3:3. Wahnsinn, oder?


    PERSONALIEN
    BAYER LEVERKUSEN

    Theofanis Gekas (29) soll nach überstandener Bänderdehnung im Sprunggelenk am Dienstag wieder ins Mannschaftstraining einsteigen. + + + Lars Bender (20) wird am heutigen Montag am rechten Knie operiert. Der Mittelfeldspieler hat sich einen Hinterhorn-Meniskusriss zugezogen und fällt auf unbestimmte Zeit aus. + + + Hoffnung besteht für Manuel Friedrich (30). Beim Innenverteidiger haben sich die Wadenprobleme gebessert und er soll bis zur Wochenmitte wieder ins Training einsteigen.



    Quelle: kicker-Printausgabe vom 14.12.09

    Bayer spielte schon oft schön - Meister wurden sie nie. Vielleicht hat ihnen ein SAMI HYYPIÄ (36) gefehlt. An dessen Seite glänzt auch MANUEL FRIEDRICH (30).


    Wie man eine Meisterelf baut, konnte Jupp Heynckes bereits vor 40 Jahren in Gladbach beobachten. Die Borussia zelebrierte erfrischenden Angriffsfußball. Allein der zählbare Erfolg am Saisonende fehlte. Schön gespielt, aber nichts gewonnen, lautete das Motto, das den Klub vor der Saison 1969/70 handeln ließ. Günter Netzer habe damals gefordert, „wir brauchen hinten einen, der den Laden zusammenhält“, erinnert sich Stürmer Herbert Laumen (66). Also verpflichtete Borussia die Nationalspieler Klaus-Peter Sieloff und Luggi Müller für die zentrale Abwehr – und wurde Meister. „Durch Sieloff und Müller war die Basis stabil“, erinnert sich Heynckes, „das waren Persönlichkeiten, die aufgrund ihrer Klasse Gewicht in der Mannschaft hatten.“


    Heute ist Heynckes Trainer bei Bayer 04. Wie einst die Fohlen galt auch die Werkself in den vergangenen Jahren als spielerisch begnadetes Ensemble, dem eine gute Abwehr abging. Bis zu dieser Saison: Jetzt bilden Manuel Friedrich und Sami Hyypiä die beste Innenverteidigung der Liga. Nur neun Gegentreffer und 44 gegnerische Chancen ließ man zu, zwei Liga-Bestmarken. Der kicker-Notenschnitt Friedrichs, der am Samstag beim 0:0 in Hannover wegen einer Wadenprellung nur auf der Bank saß, liegt bei starken 2,83, der Hyypiäs gar bei überragenden 2,67!


    Der Finne, ablösefrei aus England gekommen, gilt als Schlüsselspieler. „Sami hat auf sehr hohem Niveau beim FC Liverpool gespielt. Das ist Top-Klasse“, lobt Heynckes. Physisch präsent, beeindruckt der Blondschopf im Zweikampf. Seine Antizipationsfähigkeit lässt auch Torjäger Stefan Kießling schwärmen: „Sami hat das Auge, hält die Abwehr zusammen. Sein Stellungsspiel ist sensationell. Der Ball kann ja überall hinkommen, aber Sami ist immer da.“ Hyypiä ist die Führungsfigur bei Bayer. Kießling: „Ein Weltklasse-Spieler.“ Mit dem Hünen wandelte sich Bayers Wackelabwehr zur Mauer, auf Englisch „The Wall“, übrigens der Titel eines legendären Albums von Pink Floyd, das vor 30 Jahren auf den Markt kam.


    Hyypiä, in seiner Heimat zum achten Mal zum Fußballer des Jahres gewählt, scheint unersetzbar. Als der 1,95-Meter-Mann, der mit beidfüßiger Spieleröffnung glänzt, beim 2:2 auf Schalke ausgewechselt werden musste, brach das Chaos aus, Leverkusen verspielte die Führung. „Mit ihm hätten wir gewonnen“, stellte Torhüter René Adler fest. Bei der einzigen Saisonniederlage, dem 1:2 im Pokal in Kaiserslautern, schonte Heynckes den Routinier, der sich unter dem 64-Jährigen Trainingspausen nach eigenem Ermessen nehmen darf. Heynckes vertraut ihm. Schließlich steht Hyypiä für Verlässlichkeit. Auch privat: Seinen Ehering hat er sich in den Ringfinger der rechten Hand tätowieren lassen … Doch wie kann ein 36-Jähriger, der alles andere als ein Sprinter ist, neben einem zuvor eher durchschnittlichen Innenverteidiger der große Stabilisator sein? Dafür, dass die Schnelligkeitsdefizite nicht ins Gewicht fallen, sorgt Heynckes’ Defensivkonzept. Die Viererkette steht weit weg vom eigenen Tor, die Mannschaftsteile sind eng beieinander. Bayer schafft fast durchweg Überzahlsituationen im Mittelfeld, setzt den Ballführenden unter Druck, gewährt ihm keine Zeit, einen öffnenden Pass in die Spitze zu spielen. Das funktioniert nur, „weil alle rechtzeitig umschalten und dribbelstarke Spieler konsequent gedoppelt werden“, erklärt Heynckes. Ob es gelingt, Laufduelle, in denen Schnelligkeitsdefizite ins Gewicht fallen würden, zu vermeiden, hänge davon ab, „wie der Gegner gepresst wird, so dass freie Eins-gegen-eins-Situationen für die Abwehrspieler fast nie entstehen“.


    So kann Hyypiä („Vor zehn Jahren war ich auch nicht schneller“) glänzen. Ebenso wie Friedrich, der klar seine stärkste Saison spielt. Weil auch ihm mit seinem guten Antizipationsvermögen diese Defensivstrategie entgegenkommt. Weil er die Rollenverteilung akzeptiert. „Was Sami sagt, ist Gesetz. Da habe ich kein Problem, mich unterzuordnen“, so der 30-Jährige, der es eine „Ehre“ nennt, an dessen Seite verteidigen zu dürfen, „wir profitieren sehr von ihm“. Auch er selbst: „Sami hält durch sein Stellungsspiel einiges weg, wie auch die Jungs im defensiven Mittelfeld. Dadurch ist es für mich einfacher.“ Und weil die Abstimmung klappt. „Sie reden viel, harmonieren gut“, weiß Kießling. Doch Friedrich glänzt auch durch individuelle Stärke: Sein Offensiv-Kopfball ist überragend, zwei Treffer erzielte er so in dieser Saison. Einen seiner zwei Assists steuerte er mit dem Kopf bei. Damit überflügelt er sogar seinen Chef. Hyypiä, der gegen Stuttgart seine erste Vorlage verbuchte, wartet noch auf sein Tor.


    Jupp Heynckes attestiert Friedrich, der zu Beginn seiner Karriere offen zugab, diverse Bundesliga-Kollegen gar nicht richtig einordnen zu können, eine Entwicklung: „Manuel hat gemerkt, dass ich mehr von den Spielern verlange. Er hat sich wunderbar in das Leistungsdenken integriert.“ Friedrich glänzt also nicht nur dank Hyypiä. Dennoch könnte der Finne zum „Meister-Faktor“ werden, wie der Kölner Express ihn jüngst nannte.


    Als die Borussia 1969/70 den perfekten Coup mit Sieloff und Müller landete, war Heynckes selbst gar kein Fohlen, er spielte bei Hannover 96. Erst 1970 kehrte er zurück, um 1971 die Borussia zur erneuten Meisterschaft zu schießen. Auch als Bayer Anfang Mai 2009 Hyypiä verpflichtete, war Heynckes, damals Bayern-Trainer, noch kein Thema bei der Werkself, die er nun mit dem neuen Abwehr-Boss zum Titel führen könnte. Wiederholt sich Geschichte? Heynckes: „Gladbach wurde damals Meister, wir sind momentan Erster. Bisher ist das richtig, aber wir müssen die Saison erst mal zu Ende spielen“.


    Steht „The Wall“ weiterhin so stabil, könnte man auch bei Bayer die Titelmixtur endlich gefunden haben.
    STEPHAN VON NOCKS




    Mit schlappen 620 PS zum Training
    HYYPIÄ: Tränen, Katzen und Campino


    Seine Herkunft
    Sami Tuomas Hyypiä (1,95 m, 88 kg) erblickte im Oktober 1973 in Porvoo, der nach Turku zweitältesten Stadt Finnlands, das Licht der Welt. Verheiratet mit Susanna, ein Sohn, eine Tochter.


    Seine Karriere
    101 Länderspiele für Finnland, über 700 Pflichtspiele als Profi. Sami Hyypiä ist eine Legende. Besonders in Liverpool, wo er zwischenzeitlich als Kapitän fungierte. 2009 zum Abschied nach mehr als 460 Partien für die Reds bildete die Fankurve „The Kop“ mit Pappschildern rot auf weiß seinen Vornamen und die finnische Flagge. Hyypiä weinte. „Die Fans waren großartig. Liverpool ist immer noch mein Verein. Ich liebe diesen Klub und die Fans.“

    Seine Schwachstelle

    Hyypiä hat eine Schwäche für Pferdestärken, die er auch bei seinem Amtsantritt nicht verbarg. Zu seinem ersten Training fuhr der Hüne in einem 620 PS starken Ferrari vor. Doch es geht auch „kleiner“: Hyypiä besitzt drei Katzen und sechs Springpferde.


    Das Spezielle
    Hyypiä ist mit Campino, dem Sänger der Rockband „Die Toten Hosen“ befreundet. Dieser gab auf der Hochzeit des Finnen den Fan-Klassiker „You’ll never walk alone“ zum Besten. Hyypiäs Wechsel zu Bayer 04 konnte das Verhältnis zu Campino, bekennender Anhänger Fortuna Düsseldorfs, nicht trüben. „Campino hat gesagt, dass wir Freunde bleiben“, flachst Hyypiä.




    Fußball im Fernsehen sieht er nicht
    FRIEDRICH: Am liebsten auch kein Handy


    Seine Herkunft
    Friedrich (189 m, 83 kg) wurde im September 1979 in Bad Kreuznach geboren. Sein Vater Hubert brachte ihn 1995 von der SG Guldental 07 zum 1. FSV Mainz 05, wo er anfangs nur für die B-II-Junioren gut genug war. Friedrich ist ledig, und sein Vater heute noch Jugendleiter in Mainz.


    Seine Karriere
    Nach neun Länderspielen (das letzte Anfang 2008) nennt er sich selbst „Ex-Nationalspieler“ trotz seiner bislang stärksten Saison. Von seinem Bremen-Gastspiel (2002 bis 2004) blieb verletzungsbedingt sportlich nichts in Erinnerung. Nach der Rückkehr nach Mainz fand er wieder seine Form. 2007 holte ihn Bayer, dort ist er Leistungsträger.


    Seine Schwachstelle
    Das vordere Kreuzband. Gleich zweimal riss er sich dieses im rechten Knie. Innerhalb von nur fünf Monaten. Selbst diese lange Pause blieb ohne Auswirkungen auf sein TV-Verhalten: Friedrich schaut nach eigener Aussage keine Fußballspiele im Fernsehen an.

    Das Spezielle

    Während andere Profi s stets mit dem neuesten Handy-Modell am Ohr zu sehen sind, pflegt Friedrich einen distanzierten Kontakt zum Mobiltelefon. „Ich bin auch für Freunde kaum erreichbar. Mein Handy ist auf lautlos in der Jacke.“ Die Reaktion der Kollegen: Zum 30. Geburtstag bekam er ein iPhone geschenkt. Ohne Erfolg: Wie oft er dieses bedient? Friedrich: „Ab und zu …“




    Quelle: kicker-Printausgabe vom 07.12.09

    LEVERKUSEN: Enttäuschendes 0:0 als Beweis für die neue Stabilität


    So langsam wird es ernst für Jupp Heynckes (64) und Bayer Leverkusen. Werden die letzten beiden Hinrundenspiele in Berlin und gegen Borussia Mönchengladbach nicht verloren, dann muss sich die „Werkself“ ernsthaft mit dem Unmöglichen beschäftigen. Denn: in der gesamten Bundesliga-Historie überstanden bislang zwei Teams die 17 Spiele bis zur Winterpause ungeschlagen, dies waren der Hamburger SV 1982/83 und der FC Bayern 1988/89 – beide Klubs standen am Ende der Saison ganz oben und feierten die Meisterschaft.


    Gemach, gemach: Wie grau alle Theorie ist, zeigte der Samstag. Bayer präsentierte sich alles andere als meisterlich, sechs Tage nach der Fußball-Demonstration gegen den VfB Stuttgart (4:0) wurde mal gezaudert, mal gezögert, mal verbummelt, mal versemmelt. „Der letzte Pass kam oft nicht“, bemängelte Sportchef Rudi Völler (49), der „zu viele leichte Fehler“ sah und zu viele Aktionen, die danebengingen, weil wir zu ungeduldig waren.“


    Doch Völler wäre nicht er selbst, sähe er nicht auch die positiven Aspekte. „Im vergangenen Jahr hätten wir solch ein Spiel ganz sicher verloren“, erinnerte er an schlechtere Zeiten und provozierte mit dieser Theorie fast einheitliches Kopfnicken bei den Zuhörern. In der Tat holte sich Bayer in der Vergangenheit zu oft Klatschen ab bei vermeintlich „kleinen“ Gegner, verlor noch in der Vorsaison als Tabellenführer bei Arminia Bielefeld. Und so steht das 0:0 vom Samstag, so mickrig es als Ergebnis klingt, durchaus auch für Bayers neue Stabilität.


    Trotz großer personeller Probleme (gegen Hannover fiel auch noch Manuel Friedrich mit einer Wadenprellung aus) stolpert der Spitzenreiter nicht, der Kader gibt eine Menge her und längst sind nicht alle Möglichkeiten, insgesamt wie individuell, ausgeschöpft.


    Dies wurde jedem Profi dann auch am Sonntag während der ausführlichen Video-Analyse der Partie vor Augen geführt. „Außer René Adler war ja keiner in Top-Form“, so Völler, der aber ebenso zufrieden registrierte: „Die Jungs haben sich selbstkritisch gezeigt und eingesehen, was sie falsch gemacht haben, dass es ein Tick zu wenig war in Hannover.“


    In Berlin, am kommenden Freitag, darf dies nicht mehr passieren. Bei allem Verständnis lautet Völlers Forderung ganz eindeutig: „Noch so eine Leistung können wir uns nicht erlauben! Die Mannschaft muss sich steigern.“




    NACHGEFRAGT


    „Wir werden uns wieder steigern“


    kicker: Ihr Fazit nach dem 0:0, Herr Castro?

    Gonzalo Castro (22):
    Es war unser schlechtestes Saisonspiel. Und wir hatten Glück, dass René so stark gehalten hat.


    kicker: Wird Bayer Herbstmeister?


    Castro: Wenn wir uns in Berlin und gegen Mönchengladbach steigern, dann sind die Chancen groß. Und wir werden uns wieder steigern, weil wir wissen, was falsch war. Wir wollen jetzt noch zweimal Vollgas geben, keine Frage.


    kicker: Können Sie denn? Ihr Oberschenkel macht seit zwei Wochen Probleme.


    Castro: Zwei Spiele halte ich noch durch. Ich hoffe, es reißt nichts. Aber es behindert mich nicht wirklich, es wird schon gehen.





    Quelle: kicker-Printausgabe vom 07.12.09

    INTERVIEW DER WOCHE
    STEFAN KIESSLING
    Bayer Leverkusen

    Er ist mit Leverkusen Tabellenführer und der Toptorjäger der Liga. STEFAN KIESSLING (25) hat einen Lauf. Hier spricht er über Hintergründe, die Meisterschaft, die Torjägerkanone des kicker und die WM.


    kicker: Herr Kießling, Sie sind einer von nur acht Deutschen in den vergangenen 20 Jahren, die nach 14 Bundesligaspieltagen zweistellig getroffen haben. Hätten Sie vor der Saison gedacht, dass solche Statistiken mit Ihnen in Zusammenhang gebracht würden?


    Stefan Kießling: Nein, eher nicht. Ich wusste zwar, dass ich der Mannschaft gut helfen kann mit meiner Einsatzbereitschaft, dass ich mannschaftsdienlich bin. Vor dem Tor hat aber das Quäntchen gefehlt. Jetzt läuft es. Aber davon kann man sich noch nichts kaufen.


    kicker: Wann hätten Ihre Tore einen Wert?


    Kießling: Wenn wir als Mannschaft zusammen etwas erreicht haben. Wir wollen nächste Saison international spielen. Wenn wir das erreicht haben, können wir zufrieden auf etwas zurückblicken. Jetzt nehmen wir alles mit, aber wir wissen, dass im Fußball auch alles nach hinten losgehen kann. Deswegen halte ich auch nichts davon zu sagen, wie viele Tore ich schießen will.


    kicker: Sie wandeln auf den Spuren von Vedad Ibisevic, der vergangene Saison nach 14 Spielen der Konkurrenz enteilt war. Was empfinden Sie beim Blick auf die Torjägerliste?


    Kießling: Ich nehme das gerne mit. Das ist ein gutes Gefühl. Das haben wir uns als Mannschaft und auch ich mir erarbeitet. Aber man hat es an Ibisevic ja gesehen, der sich schwer verletzt hat: Es kann schnell in die andere Richtung gehen.


    kicker: Wie wertvoll wäre für Sie die kicker-Torjägerkanone?


    Kießling: Wenn ich zwischen Torjägerkanone und Meistertitel wählen müsste, würde ich den Meistertitel nehmen. Ich hätte nichts von der Kanone, wenn wir es nicht schaffen, international dabei zu sein.


    kicker: Vor Ihrem 4:0 per Strafstoß gegen Stuttgart wollten Sie den Ball weitergeben. Warum reißen Sie sich nicht wie andere Torjäger darum?


    Kießling: Schwer zu sagen. Es war abgesprochen, wer schießt, und ich bin nicht eingeteilt, weil ich noch nie einen geschossen hatte. Dass alle gesagt haben: Komm, schieß du! Das war eine Riesengeste von der Mannschaft. Richtig gut. Auf der anderen Seite: Bei einem 0:0 hätten sie mich sicher nicht schießen lassen …


    kicker: Ihre beste Quote liegt bei zwölf Treffern vergangene Saison. Jetzt haben Sie schon genauso viele Treffer. Sogar Schwieriges sieht bei Ihnen im Moment einfach aus. Liegt das nur an Ihrem Lauf oder ist das eine Entwicklung?


    Kießling: Ich mache gar nicht so viel anders. Ich arbeite viel vor und nach dem Training. Schnappe mir unseren Co-Trainer Peter Hermann und lasse ihn Flanken für mich schlagen. Ich glaube, dass ich an Erfahrung gewonnen habe. Ich spiele, seit ich 18 bin, als Profi . Im Januar werde ich 26. Da wird man ruhiger vor dem Tor. Doch ich glaube nicht so ganz, dass es nur der Lauf ist. Ich glaube vielmehr, dass es harte Arbeit ist. Diese Ruhe. In der Ballannahme bin ich schon sicherer geworden. Da habe ich schon an mir gearbeitet.


    kicker: Mit Ihren Treffern gibt es Meldungen von interessierten Klubs. Wechseln Sie im Sommer?


    Kießling: Nein, daran verschwende ich keinen Gedanken. Ich fühle mich hier pudelwohl und will mit Leverkusen international spielen. Alles andere ist Spekulation.


    kicker: Wird Bayer Herbstmeister?


    Kießling: Natürlich ist das ein Ziel. Das wollen wir erreichen. Aber erst konzentrieren wir uns auf Hannover und wollen da drei Punkte holen. Dann in Berlin. Jeder sagt: Diese Spiele musst du gewinnen. Wenn wir unser Spiel aufziehen, werden wir sie auch gewinnen.


    kicker: Rolfes und Renato Augusto sind, Kadlec und Helmes waren lange verletzt. Ist Bayer 04 unschlagbar, wenn die vier voll da sind?


    Kießling: Nein, aber es ist schön zu wissen, dass man dann noch solche Spieler hat. Das zeigt die Stärke und Breite unseres Kaders. Das einzige Problem hat dann der Trainer. Aber er weiß hundertprozentig, wie er es angeht. Denn bei uns passt es. Wir haben eine Super-Harmonie, wir unternehmen auch so viel gemeinsam – das ist unser kleines Erfolgsgeheimnis.


    kicker: Wie wird sich Ihre Rolle ändern, wenn Helmes, der Toptorjäger der vergangenen Saison, wieder in der Elf steht?


    Kießling: Eren Derdiyok spielt auch eine richtig gute Saison. Dann haben wir drei Super-Stürmer und der Trainer die Qual der Wahl. Ich habe gezeigt, dass ich mich mit beiden gut verstehe. Vergangene Saison mit Patrick war ich noch der Vorbereiter. Dagegen habe ich nichts. Es tut mir aber gut, der Mannschaft mit Toren zu helfen. Ich werde mich auch nicht verstecken, wenn Patrick wieder da ist.


    kicker: Nationalelf-Comeback, Tabellenführer, bester Bundesliga-Torschütze. Noch Wünsche offen?


    Kießling: Na gut, ich möchte zur WM. Darauf arbeite ich hin. Und den Erfolg mit der Mannschaft. Ich will international spielen. Wer weiß, was diese Saison noch möglich ist …


    kicker: Muss man nach jetzigem Stand nicht zumindest die Champions League als Ziel anpeilen?


    Kießling: Klar, als Fußballer hast du immer das Ziel, das Größte zu erreichen. Natürlich will von uns jeder Meister werden. Aber im Moment müssen wir nicht sagen: Wir spielen um die Meisterschaft. Wir wollen oben bleiben, aber wir haben vergangene Saison gesehen, das es anders laufen kann. Doch ich bin überzeugt, dass wir nicht einbrechen. Aber es ist ein ganz hartes Stück Arbeit, 34 Spieltage oben zu bleiben.
    INTERVIEW: STEPHAN VON NOCKS





    Quelle: kicker-Printausgabe vom 03.12.09