Der große Finne hat zehn Jahre England hinter sich. SAMI HYYPIÄ (35) über Bayer, die Bundesliga und das Karriere-Ende.
kicker: Sami Hyypiä, Sie sind jetzt seit knapp sechs Wochen in Deutschland . . .
Sami Hyypiä (35): . . . und alle meine Vorstellungen, die ich von Deutschland hatte, sind in Erfüllung gegangen. Alle!
kicker: Wirklich alle?
Hyypiä: Nein, als wir in der vergangenen Woche unser erstes Spiel in der neuen Arena hatten, war der Rasen nicht so gut. Aber das ist normal, der ist frisch verlegt, das dauert ein paar Wochen.
kicker: Die Ränge waren auch nicht ganz voll. Hat Sie das gewundert? Oder sogar geärgert?
Hyypiä: Das kann mich nicht ärgern, das kann mich nur anspornen. Wir Spieler haben dafür zu sorgen, dass das Stadion voll ist. Es ist unsere Verantwortung, so zu spielen, dass die Leute gerne kommen.
kicker: Sie haben zehn Jahre für den FC Liverpool gespielt. Welche Unterschiede zwischen dem englischen und dem deutschen Fußball haben Sie festgestellt?
Hyypiä: Keine. Zwei Tore, ein Rasen, 22 Jungs. Im Ernst: Fragt mich das nach fünf oder sechs Spielen. Vorher will ich noch keine Einschätzung abgeben. Was ich sagen kann: Bei den vier großen Ligen kommt die Bundesliga der Premier League am nächsten.
kicker: Auch was die Schiedsrichter angeht? Gegen Mainz wurde ein Foul von Ihnen gepfiffen, Ihrem Gesichtsausdruck konnte man entnehmen, dass Sie es nicht gepfiffen hätten, oder?
Hyypiä: Der Mann hat sein Bestes gegeben, davon bin ich überzeugt. Menschen machen schließlich Fehler.
kicker: Befürchten Sie, Ihre Spielweise ändern zu müssen?
Hyypiä: Nein! Ich kann doch gar nicht anders. Ich spiele schon immer so. Und meistens fair. Das Problem für den Schiedsrichter war doch, dass aus dem Freistoß ein Tor resultierte. Niemand hätte sonst davon gesprochen. Gegen Hoffenheim wurde ein Kopfball von mir mit der Hand von der Linie geschlagen. Aber darüber hat sich später keiner mehr groß aufgeregt. Weil wir 1:0 gewonnen hatten.
kicker: Wie kamen Sie eigentlich nach Leverkusen zu Bayer?
Hyypiä: Mein Berater unterrichtete mich vom Interesse des Klubs. Michael Reschke, der Manager, knüpfte den ersten Kontakt. Der kam zum Spiel in Cardiff gegen Wales und dann eigentlich jede Woche. Irgendwann schickte er mir sogar eine SMS auf Finnisch, weiß Gott, wo er das gelernt hat. Zum Schluss kam er dann mit Rudi Völler zu mir, und was die beiden sagten, überzeugte mich.
kicker: Haben Sie sich denn über den Klub näher informiert?
Hyypiä: Natürlich. Ich habe mit Markus Babbel, Didi Hamann und Philipp Degen gesprochen, und keiner von ihnen riet mir ab.
kicker: Ihr Freund Campino, der Frontmann der „Toten Hosen“, war als Düsseldorfer weniger begeistert von Ihrem Wechsel nach Leverkusen.
Hyypiä: Das ist geklärt. Er drückt mir die Daumen. Wir haben uns vergangene Woche in Köln gesehen. Campino war damals mit Didi auf meiner Hochzeit und sang „You’ll never walk alone“ für mich und meine Frau.
kicker: Was sagt die eigentlich dazu, dass Sie in Leverkusen mit Spielern in der Kabine sitzen, deren Vater Sie fast sein könnten?
Hyypiä: Vater? Großvater! Im Ernst: Ich will hier meine Erfahrung einbringen. Dafür haben sie mich geholt.
kicker: Was wussten Sie vom Team?
Hyypiä: Ich habe mir ein paar DVDs angeschaut. Das brachte mir nichts, was das System angeht, weil wir einen neuen Trainer haben. Aber ich habe etwas elementar Wichtiges gesehen: Die Jungs können Fußball spielen. Das macht vieles einfacher. Denn alles andere kann man lernen: kompakt stehen, gut verteidigen, mental stark sein.
kicker: Okay, Sie kennen sich wirklich aus. Haben Sie schon Fortschritte registriert?
Hyypiä: Die ersten Spiele liefen doch gut, besonders jetzt das 5:0 in Freiburg. Da stand die Defensive. Das ist eine gute Basis.
kicker: Reicht die Qualität, um ins internationale Geschäft zu kommen?
Hyypiä: Der Top-Favorit heißt Bayern, trotz des Fehlstarts. Dahinter lauern acht, neun Mannschaften. Wir gehören dazu. Unser Ziel ist es, europäisch zu spielen, keine Frage.
kicker: Sie hätten in Liverpool in den Trainerstab wechseln können, entschieden sich aber für die Fortsetzung Ihrer Spielerkarriere. Spielen Sie schon ein bisschen Trainer auf dem Platz?
Hyypiä: Ich rede viel, aber ich bin kein Trainer. Ich versuche, das umzusetzen, was besprochen wurde.
kicker: Sie holten den UEFA-Cup und die Champions League mit den „Reds“. Bayer haftet das Image des ewigen Zweiten an. Kommt mit Ihnen nun der Erfolg?
Hyypiä: Garantieren kann ich den Erfolg nicht. Garantieren kann ich nur harte Arbeit und 100 Prozent Einsatz in jedem Spiel.
kicker: Es heißt, Sie waren noch nie zufrieden mit Ihrem Spiel . . .
Hyypiä: Stimmt, ich habe noch nie ein perfektes Spiel gemacht. Ich bin mein größter Kritiker. Weil ich glaube, dass es immer noch besser geht. Ich würde mich nicht als Perfektionisten bezeichnen, aber ich verlange sehr viel von mir.
kicker: Am 14. Spieltag wartet Markus Babbel mit dem VfB Stuttgart auf Bayer. Ist das ein besonderes Spiel für Sie?
Hyypiä: Natürlich! Das ist eine seltsame Situation. Wir haben zusammen gespielt, Markus ist nur knapp ein Jahr älter, er ist Trainer, ich bin Spieler. Aber er macht einen tollen Job, ich bin froh, dass er in Stuttgart weitermachen durfte.
kicker: Ihr Vertrag in Leverkusen läuft zwei Jahre. Wie lange wollen Sie noch spielen?
Hyypiä: Der Tag, an dem ich die Lust verliere, wird mein letzter Tag als Profi sein. Aber so weit ist es noch nicht. Mein Hobby ist mein Job, und ich habe jemanden gefunden, der mich dafür bezahlt – klasse!
INTERVIEW: FRANK LUßEM / JAN LUSTIG
Quelle: kicker-Printausgabe vom 24.08.09