Der Körper macht nicht mehr mit. BERND SCHNEIDER (35) muss seine Karriere beenden. Er war in großen Spielen am Ball, zum großen Coup langte es jedoch nie. Hier sagt der Leverkusener, warum nicht.
kicker: Die Bekanntgabe Ihres Karriereendes kam für die Öffentlichkeit am Freitag überraschend. Hatte es sich für Sie schon länger angebahnt, Herr Schneider?
Bernd Schneider: Eigentlich nicht, es ist auch für mich ein abruptes Ende. Ich hatte während der Reha in den vergangenen 14 Monaten immer auf die vollständige Genesung gehofft. Das ist nun leider nicht der Fall, wie mir die Ärzte vor einer Woche mitgeteilt haben.
kicker: Was ist der Grund?
Schneider: Bei der Nachuntersuchung wurde festgestellt, dass es bei dem Sportunfall, bei dem ich mir den Bandscheibenvorfall an der Halswirbelsäule zugezogen habe, auch zur Verletzung des Rückenmarks gekommen ist. Die Laufbahn fortzusetzen wäre riskant. Das ist bitter, zumal die Fitnesswerte richtig gut sind. Aber ich will nicht alles aufs Spiel setzen, das Leben geht auch nach dem Fußball weiter.
kicker: Wie schwer ist Ihnen dieser Entschluss gefallen?
Schneider: Jeder, der mich kennt, weiß, was Fußball für mich bedeutet hat. Ich habe immer mit absoluter Leidenschaft gespielt, hatte immer Spaß auf dem Platz. Und deshalb kann sich jeder vorstellen, wie schwer es mir gefallen ist zu sagen: Es geht nicht mehr. Aber man darf das Risiko nicht außer Acht lassen, ich habe auch eine Verantwortung gegenüber meiner Familie.
kicker: Wie gehen Sie mit der neuen Situation um?
Schneider: Es ist leichter zu verkraften, wenn die Karriere mit 35 und nicht mit 25 endet. Und im Moment geht’s auch deshalb noch, weil der Ball nicht rollt. Das wird sich ändern, wenn die Bundesliga wieder anfängt, wenn Länderspiele sind, wenn ich in die Bay-Arena gehe. Das wird dann schon wehtun, aber das gehört einfach dazu. Ich muss lernen, das Positive aus der Situation mitzunehmen und nach vorn zu schauen.
kicker: Was sind die positiven Aspekte?
Schneider: Mehr Privatleben zum Beispiel und weniger Zeitdruck. Mal Freunde übers Wochenende besuchen, das ging in den letzten Jahren doch nur zwischen Weihnachten und Silvester oder in den drei Wochen Sommerurlaub.
kicker: Was wird Ihnen fehlen?
Schneider: Vieles, vor allem die einzigartigen Stadien in Deutschland. Und mir wird die Anspannung vor den Spielen fehlen. Ich habe mich immer darauf gefreut, wenn es darum ging, sich bewähren und beweisen zu müssen.
kicker: Was werden Sie nicht vermissen?
Schneider: Die langen Laufeinheiten in der Vorbereitung. Ich muss mich ja auch jetzt fit halten. Aber nun kann ich das entspannter angehen, die Natur genießen statt die Stoppuhr im Auge zu behalten.
kicker: Am vorletzten Spieltag wurden Sie beim 5:0 gegen Mönchengladbach eingewechselt. Hat sich dafür die lange Schinderei in der Reha gelohnt?
Schneider: Auf jeden Fall, auch wenn es eine immense Qual war. Aber diese 13 Minuten werde ich nie vergessen. Es war beeindruckend, wie ehrlich sich die Leute über mein Comeback gefreut haben. Das war das totale Gänsehaut-Gefühl. Leider durfte ich das nicht noch mal erleben.
kicker: Sie sprechen das DFB-Pokalfinale an und den Umstand, dass Sie gegen Werder von Bruno Labbadia nicht berücksichtigt wurden.
Schneider: Richtig. Dass ich dort nicht mal eingewechselt wurde, war eine sehr große Enttäuschung. Die Spielsituation hätte dies durchaus gerechtfertigt, aber der Ex-Trainer wechselte trotz 0:1-Rückstands erst in der 85. Minute. Warum so spät, das hat niemand verstanden. Er hat in seiner ersten Saison als Erstligatrainer gleich ein Pokalfinale an die Wand gefahren ...
kicker: Im Rückblick: War es eine erfüllte Karriere?
Schneider: Auf jeden Fall. Ich habe fast 300 Bundesligaspiele gemacht, 81 Länderspiele, ich habe Europameisterschaften und Weltmeisterschaften gespielt, sogar 2006 eine WM im eigenen Land. Das ist das Größte gewesen, was ein Fußballer erleben kann. Ich bin insgesamt gut über die Jahre gekommen, ohne größere Verletzungen. Ich denke, ich kann dankbar sein für meine Karriere, auch wenn letztendlich kein Titel rausgesprungen ist.
kicker: Welche verspielte Titelchance ärgert Sie am meisten?
Schneider: Dass wir mit Leverkusen vor neun Jahren in Unterhaching verloren und damit die Meisterschaft verpasst haben, war die ganz große Enttäuschung. Nicht aber, dass wir 2002 das Champions-League-Finale gegen Real Madrid und dann das WM-Finale gegen Brasilien verloren haben. In beiden Fällen hatten wir weit mehr ereicht, als uns zugetraut worden war.
kicker: Sie waren mal beim FC Barcelona im Gespräch. Bedauern Sie, dass es nicht zum Wechsel kam?
Schneider: Na klar, von meiner Spielart hätte mir Spanien wahrscheinlich gelegen. Ich hatte wirklich eine sehr schöne Zeit in Leverkusen und mich immer wohl und heimisch gefühlt. Aber wenn ich die Wahl hätte, in meiner Karriere etwas anders zu machen, dann wäre es der Wechsel ins Ausland. Ich hätte gerne eine andere Mentalität und eine andere Spielweise kennengelernt. Und ich hätte gerne erfahren, wie es ist, sich im Ausland durchsetzen zu müssen. Man sieht ja an Michael Ballack, dass solch ein Wechsel einen nicht nur fußballerisch, sondern auch als Persönlichkeit weiterbringt.
kicker: Sie nennen Ballack Ihren Freund. Wie viele Freunde haben Sie gewonnen in Ihren Profijahren?
Schneider: Mit dem Begriff Freund sollte man vorsichtig umgehen, Michael Ballack ist einer, auch Oliver Neuville, mit dem ich fünf Jahre lang das Zimmer geteilt habe. Aber ansonsten gab es eher gute Weggefährten denn Freunde. Die meisten Freundschaften stammen aus meiner Jenaer Zeit.
kicker: Wie sehen Ihre neuen beruflichen Pläne aus?
Schneider: Ich möchte den Trainerschein machen. Aber Stand heute sehe ich mich nicht als Trainer, sondern eher in anderer Weise im sportlichen Bereich tätig.
kicker: Als Sportdirektor?
Schneider: Wie man das dann bezeichnet und wo das dann sein wird, muss man dann sehen. Ich werde auf jeden Fall dem Fußball erhalten bleiben. Und ich bin noch mindestens ein Jahr in Leverkusen, wo ich mal die andere Seite kennenlernen kann: Management, Scouting-Bereich, Nachwuchs. Ich bin selbst gespannt, in welche Richtung es mich dann letztendlich verschlagen wird. Aber ich denke, es ist richtig, erst einmal alles sacken zu lassen und sich nicht gleich in etwas Neues zu stürzen.
kicker: Abschließend: Welche Bedeutung hat Ihr Spitzname Schnix?
Schneider: Schnix kommt von schnixeln, was in Thüringen so viel heißt wie dribbeln, tricksen. Das konnte ich schon früh ziemlich gut, wenn wir auf dem Schulhof oder zwischen den Wäschestangen gespielt haben. Deshalb habe ich den Namen seit der Jugend weg.
INTERVIEW: OLIVER HARTMANN
Quelle: kicker-Printausgabe vom 29.06.09