http://www.schwatzgelb.de/04-0…hweigen-der-lemminge.html
Das größte Gift für die deutsche Fankultur war einfach die Einführung der "Ultra"-Kultur oder genauer gesagt, die Einführung der italienisch-orientierten Ultra-Kultur. Man hat in Deutschland versucht einen Supportstil zu etablieren, der überhaupt nicht zur deutschen Mentalität passt. Die Folgen sind gespaltete Kurven, schlechtere Stimmung, Monotonie und Unkreativität. Das Experiment "Ultra in Deutschland" ist meiner Meinung nach ziemlich gescheitert.
Hast du dich schon einmal mit Ultras wirklich beschäftigt? Nicht nur mit den medialen Klischees und öffentlichen Stigmatisierungen? Ich denke nicht, denn sonst würdest du erkennen, dass hinter der Ultra-Kultur weitaus mehr steckt. Die Ultra-Kultur gründete sich aus mangelnder Stimmung und fehlender Fankultur, die durch die fortschreitende Kommerzialisierung eintrat. Die Ultra-Kultur gehört heute zu den wichtigsten und beliebtesten Subkulturen und ist gerade für Jugendliche bzw. Heranwachsende enorm wichtig, weil sie über den Support im Stadion heraus eine soziale Funktion übernimmt. Das was das Ultra-Dasein vertritt ist eine Ideologie, die sich die meisten Fans wünschen, nämlich aus dem passiven Fan-Dasein herauszutreten, selbst mitwirken zu können und die Möglichkeit zu haben, für alte Werte und Traditionen einzutreten. Ultras sind nunmal die prägenden Gruppierungen in deutschen Fankurven und natürlich haben sie dadurch eine Verantwortung.
Man mag auch anmerken, dass es einige - berechtigte - Kritikpunkte gibt und es auch für die Ultras selbst förderlich wäre, sich mit diesen zu befassen und sich selbst zu reflektieren. Aus eigener Erfahrung weiß ich allerdings auch, dass dies die meisten Mitglieder tun. Ihnen generell Selbstinszenierung und Selbstglorifizierung vorzuwerfen ist ja an der Tagesordnung, aber jeder einzelne sollte sich einmal hinterfragen ob er dies nicht selbst in einem gewissen Maße tut, z.B. durch Selfies oder Chroeo/Kurvenbilder. Jeder Fanclub handelt ähnlich, wenn er sein Banner am Zaun aufhängt oder wie in der jetzigen Situation versucht die Kurve zum Support zu animieren. Nur weil hinter dieser Organisation der Fanclubs nicht der Name "Ultras" steht, ist es doch im Endeffekt genau das Gleiche. Mal davon abgesehen, dass die Ultras meiner Meinung nach ein Rechht darauf haben, Ansprüche zu erheben, da sie mehr für den Verein machen, als sich die meisten hier vorstellen können. Das geht weit über die Ereignisse am Spieltag und den eigentlichen Support hinaus - das beginnt bei sozialem Engagement und endet bei dem Vertreten von Faninteressen, die die meisten Fans betreffen.
Über die Art von Support kann man bekanntlich streiten und deine Meinung ist legitim, aber du wirst nicht abstreiten können, dass sich dieser Stil nunmal bundesweit im Profifußball durchgesetzt hat. Meiner Ansicht nach ist in Deutschland die intakteste Fankultur etabliert - kreativ, facettenreich, kritisch und im Vergleich zu vielen anderen Ländern sehr gewaltreduziert. Und obwohl Ultras der Ruf voraus geht, dauerhaft aggressiv und der Inbegriff der Gewalttäter zu sein, ist dies doch größtenteils eine Stigmatisierung, die von außen an sie herangetragen wird.
Wie gesagt, jeder kann seine eigene Meinung zu der Thematik haben aber es würde sehr vielen hier helfen, sich auch mit der Thematik zu beschäftigen. Dazu ist es nicht notwenig sich persönlich mit Ultras zu unterhalten. Es gibt genug interssante Literatur, die aus verschiedenen Perspektiven die Ultra-Kultur beleuchtet und analysiert.
Leute, die im Internet große Reden schwingen und einfach urteilen, ohne einen Funken Ahnung zu haben sind genau das Problem unserer Fanszene. Kommentare, wie sie ständig hier getroffen werden und einfach nur unqualifiziert und abwertend sind sorgen genau für die angeprochene gespaltene Kurve und Monotonie. Aber den meisten Helden in diesem Forum ist dies wahrscheinlich egal, da sie nicht ins Stadion gehen und die annyme Pöbelei hier doch äußerst bequem ist. Ich kann nur daran appellieren sich mit solchen Dingen zu beschäftigen, wenn einem die Fankultur und unsere eigene Fanszene am Herzen liegt. Im Endeffekt wollen wir doch alle das Gleiche - unseren Verein lieben und unterstützen und in der Gemeinschaft Spaß zu haben.