VON STEFAN KLÜTTERMANN - zuletzt aktualisiert: 14.01.2010 - 02:30
Als Nummer eins der deutschen Torhüter startet der Leverkusener am Samstag gegen Mainz in die Rückrunde der Fußball-Bundesliga. Es könnte ein großes Halbjahr für den gebürtigen Sachsen werden.
Er weist alle ab auf dem Weg über den verschneiten Schotterparkplatz. Die kleinen Jungen genauso wie die treuen Rentner. An allen eilt René Adler vorbei. In Richtung Trainingsplatz. Er erfüllt keine Autogrammwünsche. Nicht jetzt. Bayer Leverkusens Nummer eins ist kein arroganter Millionario in diesen Sekunden, er ist nur fokussiert. Auf die Einheit mit Torwarttrainer Rüdiger Vollborn – seinem Mentor – und den anderen Keepern im Kader. Denn 2010 soll Adlers Jahr werden. Mit Leverkusen im Titelkampf und als Nationaltorhüter bei der WM in Südafrika. Da zählt jedes Training.
Wenn Adler am Samstag mit Leverkusen gegen Mainz als Herbstmeister in die Rückrunde startet, geht er als Führender in den Dreikampf mit Bremens Tim Wiese und Schalkes Manuel Neuer um den Stammplatz im DFB-Tor. Vieles spricht dafür, dass der 24-Jährige, der mit drei Jahren sein erstes Paar Fußballschuhe der DDR-Sportmarke Germina bekam und dessen Karriere einst auf staubigen Nebenplätzen des Leipziger Zentralstadions begann, am 13. Juni um 20.30 Uhr in Durban, Südafrika, im Tor stehen wird. Dort bestreitet Deutschland sein erstes WM-Vorrundenspiel gegen Australien. Adler führt die Torhüter-Rangliste des Fachmagazins "Kicker" an, für 34,7 Prozent der Bundesligaprofis war er laut einer Umfrage der beste Torwart der Hinrunde, 70 Prozent von ihnen wollen Adler im Trikot mit selbigen auf der Brust sehen.
Nur noch einer muss den Daumen heben: Bundestrainer Joachim Löw. Der kündigte an, wer beim ersten Testspiel 2010, am 3. März in München gegen Argentinien, im Tor stehe, habe die Nase vorn. Adler sagt: "Es liegt mir fern, in der Öffentlichkeit etwas zu fordern." Er lässt lieber Leistungen sprechen. So konstant wie in jedem Ligaspiel und vor allem so, wie im Oktober beim entscheidenden WM-Qualifikationsspiel in Russland. In Moskau sollte eigentlich Robert Enke auflaufen. Aber weil der Hannoveraner verletzt ausfiel, durfte Adler ran. Und er bestand die Prüfung mit Bravour – sportlich und mental. Er strahlte die Ruhe und Nervenstärke aus, die ein Torhüter vorweisen muss, um es mit seiner Mannschaft bei einer Weltmeisterschaft weit zu bringen. "Ab einem gewissen Level hängt es nur daran, ob du mental stark bist und Vertrauen in dein Spiel hast", sagt Adler.
Im Jahr 2000, mit 15 Jahren, hatte er Leipzig, den dortigen VfB, das Sportgymnasium und das Zimmer mit den Postern seines Idols Peter Schmeichel verlassen. Er ging zu Bayer und wohnte bei Familie Vollborn im Dachgeschoss in Burscheid. Mittlerweile liegt Adlers Zuhause in Kölns Multikulti-Stadtteil Mülheim, mit Terrasse und Blick auf den Rhein. Er durchlief alle Junioren-Auswahlteams des DFB und machte 2004 sein Abitur am Leverkusener Landrat-Lucas-Gymnasium. Nach seinem gefeierten Debüt in der Bundesliga im Februar 2007 vor 60 000 Fans auf Schalke blieb er im Bayer-Tor. Im Oktober 2008 trug er erstmals das Trikot der A-Nationalmannschaft. Im Hinspiel gegen Russland in Dortmund. Hinterher feierten sie ihn.
René Adler war Balljunge beim VfB Leipzig. Er weiß, wie es ist, im Fanblock zu stehen und frierend auf ein Autogramm zu warten. Deswegen hetzt er auch nicht zurück über den verschneiten Schotterparkplatz. Jetzt, nach dem Training. Er erfüllt geduldig die Autogramm- und Fotowünsche. Er hat einen hohen Verschleiß an Handschuhen, weil er viele verschenkt. Außer die, die ihm Peter Schmeichel geschenkt hat. Die haben einen Ehrenplatz.
Quelle: Rheinische Post