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Dieses Land hat derzeit ein Wirtschafts-, vielleicht auch ein Imageproblem. Ein Torwartproblem hat es nicht.
Ob Robert Enke, René Adler, Jens Lehmann oder Tim Wiese - alle vier Torhüter, die anno 2008 das deutsche Aufgebot schmückten, wären bei anderen führenden Fußballnationen unangefochten die Nummer eins. Im kommenden Jahr wird das Ganze fieser, denn auch Manuel Neuer wird daran erinnern wollen, dass er ein Guter ist. Gleiches gilt für Timo Hildebrand, der deshalb sogar aus dem fernen Valencia in die nördlichen Gefilde Badens gezogen ist, dem Landstrich, in dem auch Joachim Löw und Hans-Dieter Flick wohnen.
Wenn Robert Enke seinen Handbruch auskuriert und wieder ein paar Spiele im Tor von Hannover 96 absolviert hat, stellt sich die Frage erneut, wer denn nun als Stammtorwart zu gelten habe. Entgegen einer weit verbreiteten Auffassung steht nämlich René Adler längst nicht als Torwart-Favorit fest. Das Spiel des Leverkuseners ist deutlich spektakulärer als das des notorisch sachlichen Enke, der sich gut ein Drittel der Paraden verkniffen hätte, die Adler nach dem Russland-Spiel in Dortmund zum Volkshelden machten. Was dessen starke Leistung im ersten Länderspieleinsatz um keinen Deut schmälern soll.
Nach dem Fehler im England-Spiel waren die Maßstäbe dann wieder zurecht gerückt: Adler ist einer von zwei herausragenden unter vielen sehr guten Torhütern. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.
Die Entscheidung, einen von beiden auf die Bank zu setzen, steht irgendwann im Frühjahr endgültig an. Sie dürfte dann die Rangordnung im Tor auf Jahre zementieren.
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Thomas Hitzlsperger und Simon Rolfes haben vom Bundestrainer den eindeutigen Handlungsauftrag nachzuweisen, dass sie unersetzlich sein wollen und können. Auch für sie dürfte das kommende Jahr das bislang wichtigste ihrer Karriere werden.
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Im Sturm ist die Nationalmannschaft mit Miroslav Klose, Lukas Podolski und dem immer noch entwicklungsfähigen Mario Gomez bestens bestückt, zumal 2009 das Jahr von Patrick Helmes werden dürfte, der schon jetzt in der Gunst des Trainerstabs ganz weit oben steht und Spieltag für Spieltag und Treffer für Treffer Argumente für einen Stammplatz beim DFB sammelt.
Tor-Abwehr-Mittelfeld-Angriff - auch wer sich diese Mannschaft in ihren Einzelteilen angeschaut hat, kann die entscheidende Frage noch nicht beantworten: wie stark sie als Ganzes wirklich ist.
Ist sie bereits so gereift, wie sie es über weite Teile der Partien gegen Belgien, Liechtenstein oder Russland andeutete? Oder doch so übereifrig und fehleranfällig wie gegen England, Wales oder Finnland?
Eines ist dieses Team ganz gewiss: jung, lernbegierig und entwicklungsfähig. Und nebenbei erfolgreich: 2008 wurden von 16 Spielen nur drei verloren, elfmal ging man als Sieger vom Platz.
Quelle: [URL=http://www.spiegel.de/sport/fussball/0,1518,598306-4,00.html]spiegel.de[/URL]