Die Nachfolge von Luiz Felipe Scolari beim FC Chelsea scheint schneller geregelt zu werden als ursprünglich angedacht. Die Anzeichen verdichten sich mittlerweile, dass tatsächlich Guus Hiddink neuer Trainer an der Stamford Bridge wird und die Rettungsmission starten kann.
Denn der Wunschkandidat und gute Bekannte von Club-Besitzer Roman Abramovich erhielt vom russischen Fußball-Verband RFU mittlerweile die Erlaubnis, über ein bis zum Saisonende befristetes Engagement in London zu verhandeln. Das teilte der Premier-League-Club auf seiner Homepage mit. Voraussetzung einer möglichen Vereinbarung sei jedoch, dass Hiddink zugleich Russlands Nationalcoach bleibe.
RFS-Funktionär Sergej Kapkow sagte nach Angaben der Agentur Interfax, der bis 2010 laufende Vertrag Hiddinks verbiete eine Doppel-Tätigkeit nicht. Im Verband gebe es sogar viele Befürworter dieser Lösung, zumal Russland bis zum Sommer leichte WM-Ausscheidungsspiele gegen Aserbaidschan und Liechtenstein habe.
Der Niederländer selbst ist zu dieser Doppel-Funktion bereit: "Wenn ich kann, dann würde ich gerne helfen", wurde der 60-Jährige von der Nachrichtenagentur AP zitiert. "Dies ist eine ungewöhnliche Situation. Wenn ein anderer Club bei mir angefragt hätte, hätte ich sofort 'Nein' gesagt", so Hiddink weiter. Bei Chelsea liege der Fall anders. "Ich habe gute Kontakte zum Club-Besitzer."
Andere Kandidaten wohl aus dem Rennen
Der Club bedankte sich derweil beim russischen Verband für die "gute Kooperation". Damit scheinen die auch als potenzielle Nachfolger gehandelten Trainer Frank Rijkaard (früher FC Barcelona), Roberto Mancini (früher Inter Mailand), Carlo Ancelotti (AC Mailand) oder gar die Scolari-Vorgänger Avram Grant (arbeitslos) und José Mourinho (Inter Mailand) schon aus dem Rennen zu sein.
Den Scolari-Rauswurf hatte Abramowitsch laut britischen Medien selbst vorgenommen, weil er sein "Projekt Chelsea" in Gefahr sah. Scolari, der mit dem Gehalt für die restliche Laufzeit seines Vertrags in Höhe von rund 7,5 Millionen Pfund (8,6 Millionen Euro) abgefunden werden soll, nahm die erst zweite Entlassung in seiner 27-jährigen Trainerkarriere gelassen hin und bedankte sich, dass er im englischen Fußball arbeiten durfte.
Alex Ferguson ist geschockt
Sir Alex Ferguson von Meister und Tabellenführer Manchester United zeigte sich geschockt von der Entlassung des Kollegen. "Ich bin sehr überrascht. Es ist ein Zeichen der Zeit. Niemand hat mehr Geduld in der heutigen Welt", monierte Ferguson, der der britischen Presse eine Mitschuld gab. "Jedes Mal, wenn jemand ein schlechtes Ergebnis hat, wird das sofort als Sensation behandelt."
Die kritisierten Medien schossen sich auf Club und Spieler der auf Rang vier abgerutschten Blues ein. Eine "richtungslose Farce", inszeniert vom russischen Eigner, erkannte das Boulevardblatt Daily Mail bei Chelsea, das seit der Abramovich-Übernahme 2003 in Claudio Ranieri, Mourinho, Grant und Scolari vier Trainer verschlissen hat. "Gefordert ist offenbar, dass man Meister wird und dabei wie ein Seelöwe den Ball auf der Nase balanciert", schrieb das Blatt zu den schwer erfüllbaren Wünschen des Russen.
Der seriösere Daily Telegraph, der sich einen Seitenhieb auf Michael Ballack ("der erste Import aus dem BMW-Land mit nur einem Gang") nicht verkniff, sah eher die Probleme im Team und forderte einen generellen Neuanfang: "Ebenso dringend wie einen neuen Trainer braucht Chelsea einen neuen Ansatz in allen Teilen des Clubs, von der Kabine bis zum Vorstandszimmer."
http://www.sportal.de/sportal/…09/02/10/12039500000.html