Schön, dass es vereinzelt doch noch Sachkunde gibt im Sportjournalismus:
Von Adlers „unnötigem“ Ausflug war danach zu lesen. Vom Vorgänger Oliver Kahn als TV-Experte kam der alte Satz: „Es wäre besser gewesen, er wäre auf der Linie geblieben. Wenn er rauskommt, muss er den Ball haben.“ Lässt man den Stammtisch-Anteil dieser Weisheit weg, sagt sie so viel wie: Bleib in Deckung, auf deiner Linie, dann kassierst du das Tor auch, siehst aber besser aus dabei. Bundestrainer Joachim Löw beurteilte die Szene differenzierter: „Dass René rausgelaufen ist, war eigentlich richtig.“ (siehe auch: Joachim Löw: „Es ist richtig, dass René Adler da rauskommt“) Schließlich war der Torhüter urplötzlich ganz allein in der deutschen Hälfte mit einem Argentinier. (...)
Die öffentliche Wahrnehmung gibt in solchen Fällen dem letzten Glied der Fehlerkette gern die alleinige Schuld. Dabei kam das größere Versäumnis beim entscheidenden Tor kurz vor der Pause von den Innenverteidigern Per Mertesacker und Serdar Tasci. Sie hatten sich sorglos bis weit in die gegnerische Hälfte vorgeschoben. So reichte Juan Sebastian Veron ein einfacher langer Ball, um Gonzalo Higuain hinter Mertesackers Rücken allein aufs deutsche Tor zu schicken. (...)
Weil der lange Bremer zudem der falsche für ein Laufduell ist und kaum in der Lage, einen enteilten Angreifer wieder einzuholen, blieb René Adler nichts übrig, als aus seinem Tor zu kommen. Als er zu spät dran war, vermied er klugerweise ein Foul und damit eine Rote Karte. (...)
Auf der Habenseite des Adler-Abends stand die Glanzparade gegen den feinen Flügelmann Angel di Maria, der die deutsche Abwehr in der 38. Minute ausgetanzt hatte und dessen Schuss er an die Latte lenkte. Aber das war nach dem 0:1 nur noch eine Marginalie. Dafür wurde sein Malheur zur großen Sache.
(Aus dem FAZ-Artikel)